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Artikel Tagged ‘WDR’

Der WDR handelt

14. Mai 2010 Keine Kommentare

Es geht um Regividerm. Der WDR gab heute in einer Pressemitteilung folgendes bekannt:

Mit sofortiger Wirkung hat der WDR einen Redakteur und Autor aus dem Programmbereich Politik und Zeitgeschehen Fernsehen vom Dienst freigestellt und arbeitsrechtliche Schritte eingeleitet. Der WDR sieht es nach eingehender Prüfung als erwiesen an, dass der Mitarbeiter als Autor des ARD-Features „Heilung unerwünscht: Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern“ gegen Programmgrundsätze verstoßen und falsche Angaben gegenüber dem WDR gemacht hat. …

komplette Pressemitteilung
Vielen Dank an Plazeboalarm.

Auf Thomas Sternbergs (seit Dezember 2009 Mitglied im Rundfunkrat des WDR) Blog war schon im April Folgendes zu lesen:

Gleich zu Beginn haben wir leider eine sehr unangenehme Sache zu behandeln: eine Programmbeschwerde über eine skandalöse Sendung aus dem vergangenen Oktober als unter dem unseriösen Titel „Heilung unerwünscht“ eine Salbe präsentiert wurde, die angeblich Psoriasis und Neurodermitis heilen könne und von der Pharmaindustrie verhindert werde, weil man die Kranken für den Profit mit anderen Präparaten brauche. Die Salbe erschien dann auf dem Markt und wurde wie das Buch zur Sendung zum Bestseller. Man kann den ganzen Skandal übrigens gut nach verfolgen auf https://www.psiram.com/de/index.php?title=Regividerm.

Das haben wir hier erfahren.

Bei Apotheke-adhoc steht dann auch, wen es erwischt hat:

PSORIASISSALBE
WDR kündigt Regividerm-Reporter

Köln – Der Autor des Regividerm-Berichts „Heilung unerwünscht: Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern“, muss gehen. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hat sich wegen falscher Aussagen und Verstößen gegen Programmgrundsätze von dem Autor des Beitrags getrennt. Der Sender sprach von „inhaltlicher Kritik an dem Film“ und Zweifeln an der Unabhängigkeit des Redakteurs. Er habe kurz nach der TV-Ausstrahlung ein Buch zu demselben Thema veröffentlicht.

apotheke-adhoc

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Cooler Nachschlag zu Regividerm

26. November 2009 4 Kommentare


Quelle: „Der medizinjournalistische Offenbarungseid des WDR“ von David Harnasch

Und hier ist nochmal der Link zu unserem beliebtesten Artikel.

Allerdings holt Frau Juliane Sacher durch ihre völlig bekloppte und panische Squalen-Kettenmail zur Zeit ordentlich auf. Es bleibt spannend.

Internet prangert allzu unkritischen WDR-Bericht an

29. Oktober 2009 3 Kommentare
Die Netz-Community legte Recherchemängel in einer WDR-Dokumentation offen, der WDR reagierte in den eigenen Foren unglücklich auf die Kritik.

Unangenehmer als die – branchenübliche – Schelte durch die Kollegen dürfte den Fernsehmachern aber sein, wie schnell und präzise sie im Netz vorgeführt wurden. Dort vertraten ein paar Blogger die kritische Öffentlichkeit. Mit der nötigen skeptischen Distanz klopften sie die Plausibilität der Creme-Connection ab – und leisteten damit ein wertvolles Stück Medizinjournalismus. Zuerst im Blog Stationäre Aufnahme, später auch im EsoBlog, bei WeiterGen und andernorts wurden die wenigen Studien zum Thema zitiert, man wies auf Schwächen und Widersprüche hin. Das begann kurz nach Ausstrahlung des Dokumentarfilms, vor der Plasberg-Show.

http://www.zeit.de/2009/45/Kommentar-Faktencheck

Wiederholte Schleichwerbung für rosa Wundermittel bei der ARD

22. Oktober 2009 94 Kommentare

„In Deutschland leiden über 5 Millionen an Neurodermitis und Schuppenflechte. Kerstin Nietschke ist eine davon. Ihnen allen könnte mit einem Medikament geholfen werden, das schon vor zwanzig Jahren erfunden wurde. Doch das Medikament gibt es nicht zu kaufen.“

Die ARD sendete am 19.10.2009 die vom WDR produzierte Reportage „die story: Heilung unerwünscht“. Hier kann man sich das in der Mediathek ansehen.

Kurzform. Ein Medizinstudent und ein Chemiker rühren in einer Wohnung eine Salbe mit Vitamin B12 zusammen und probieren sie an der Freundin des Studenten aus. Dann will niemand das Patent haben, die Salbe produzieren und deswegen haben wir seit 20 Jahren arme gequälte Kinder mit Neurodermitis, die wie Mumien eingepackt werden müssen.
HALLO!

Verdacht auf Scharlatanerie bzw. Quacksalberei wird umso wahrscheinlicher, je mehr der folgenden Beschreibungen zutreffen:

Eine Methode bzw. ein Produkt:

1. wird durch eine Anekdote mit der Freundin des Bastlers interessant gemacht,
2. soll Heilung bringen, während die Schulmedizin kleine Kinder mit hochtoxischem KORTISON! und anderem Zeug, welches total krebserregend ist, vollpumpt
3. soll durch umfangreiche Erfahrungen „untermauert“ sein, in diesem Fall unkontrollierte, unverblindete Studien mit einer Handvoll Patienten über einen kurzen Zeitraum
4. soll gegen Psoriasis und Neurodermitis so gut helfen, dass der Markt für alle anderen Präparate sofort zusammenbrechen würde,
5. wurde nur deswegen nicht an „Big Pharma“ verkauft, weil die das sonst in der mysteriösen Schublade hätten verschwinden lassen,
6. ist an einzelne Personen (hauptsächlich einen Mann mit abgebrochenem Medizinstudium) gebunden, der die Therapie entwickelt hat und daran verdienen will (schön teuer: 28,85 Euro für 100g und die scharlatantypische Warnung vor Nachahmern gibt´s auch schon),
7. soll keine Nebenwirkungen haben oder die Nebenwirkung von Verfahren der Schulmedizin reduzieren oder aufheben,
8. das Mittel ist rosa und kann deswegen nicht gegen Plazebo getestet werden, obwohl man doch weiß, dass rosa Plazebos stärker sind,
9. soll pharmakologisch wirken, wird aber als Medizinprodukt auf den Markt geworfen,
10. wird vom WDR mehrfach redaktionell beworben, andere Medien springen drauf an und extrem zeitnah erscheint ein Buch mit der Wunderrezeptur und die Salbe wird auf einmal doch in den Handel gebracht.
(Die echte Liste steht hier.)

Wie blöd sind eigentlich Redakteure, Filmemacher und leider auch die Patienten, die die absurde Geschichte über die preiswerte Heilung von Neurodermitis aus dem Hobbylabor sofort glauben, sobald nur laut jemand die Pharmalobby als Schuldigen hinstellt. Haben die alle zu viele Hollywoodthriller geschaut? Die Realität ist kein Märchen. In der Realität müssen Medikamente auf Verträglichkeit, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geprüft werden, BEVOR man kleine Kinder damit einschmiert. Die Feigenblattstudien, die hier großkotzig präsentiert wurden, sind belanglos. Das ist alles ein schlechter Scherz.
Die Kinder, die jetzt unnötig durch diese sinnlose Behandlung leiden werden, weil ihnen eine wirksame Behandlung vorenthalten wird, bekommt man nicht im Fernsehen zu sehen.
Auch die Fernsehleute werden sich nicht mehr darum kümmern, da die bis dahin schon wieder irgendeine andere halbtote Sau durchs Dorf treiben werden. Ausbaden dürfen es die Eltern, die Kinder und die seriösen Ärzte, deren ehrliche Arbeit durch so eine Berichterstattung in den Schmutz gezogen wird. Kortisonangst zu bedienen, kommt immer gut. Das kennt der Zuschauer, das frisst er. Mit wishful thinking und gut gemeint, dem Gegenteil von gut gemacht, dreht man keine kritischen Dokus, damit fällt man auf Betrüger rein.

Hier gibt’s bisher die aktuellsten Neuigkeiten zum Thema:
http://forum.oekotest.de/cgi-bin/YaBB.pl?num=1255978539/all
http://gesundheit.blogger.de/stories/1511299/

Ach so, das Zeug heißt Regividerm und 100 g Pflegesalbe sind im Schub in zwei Tagen alle.
Update 20.07.2009:
Der Fernsehblog: Aufklärung unerwünscht? Frank Plasberg und das Wundermittel gegen Neurodermitis
und
Pressemeldung vom Deutschen Neurodermitisbund
noch ein Fund:

Im Windschatten der ganzen Aufregung um das „patientenverachtende“ Verhalten der Pharmaindustrie ist allerdings jetzt zu erfahren, dass das Schweizer Unternehmen Mavena Health Care schon Mitte November die Vitamin-B12-Salbe unter dem Namen Regividerm® auf den Markt bringen wird. Passend dazu bietet eine Agentur „just in time“ neben einem Interviewtermin mit dem Geschäftsführer die ARD-Sendung auf CD an. PR-Unterlagen zur neuen Salbe können ebenso geordert werden wie ein Muster der Salbe. Die Salbe selber wird in der Apotheke für rund 30 Euro pro 100 g erhältlich sein. Ein stolzer Preis. Eine adäquate Rezeptur in der Apotheke würde unter 20 Euro pro 100 g kosten.

DAZ: „Heilung unerwünscht!“ – alles Zufall oder nur Profitgier?
weiter geht´s:
„Falsche Hoffnungen bei Schuppenflechtekranken geweckt – gebotene Sorgfall verletzt?“ Deutscher Psoriasis Bund e. V.

WDR: „Servicezeit Gesundheit“

3. September 2008 7 Kommentare

In der letzten WDR-Sendung „Servicezeit Gesundheit“ vom 01.09.2008 wurde das Thema Evidence Based Medicine (EBM) aufgegriffen.
In der EBM wird versucht Therapieverfahren und Medikamente nach wissenschaftlichen Kriterien einer Wirksamkeitsüberprüfung zu unterziehen. Ein sehr sinnvoller Ansatz, denn nur dadurch ist es möglich, dass wirkungslose oder gar schädliche Therapieverfahren und Wirkstoffe auf dem Müllhaufen der Medizingeschichte landen. EBM ist Angewandte Wissenschaft zum Wohl des Patienten.

So schreibt der WDR auf seiner Website:

Was ist die richtige Therapie? Der Arzt mit seinem Wissen und seiner Erfahrung wird es wissen, glauben Patienten vertrauensvoll. Doch dieses Vertrauen sei nicht gerechtfertigt, behaupten immer mehr kritische Mediziner. Ihr Verdacht: Die ärztliche Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Therapie beruhe zu wenig auf wissenschaftlichen Ergebnissen oder „Evidenz“. Vielmehr stützten sich viele Ärzte auf ihre Intuition und auf „Eminenz“ – Fachgesellschaften, Pharmavertreter und honorige Professoren diktieren, was angeblich wirksam und gut ist. Nicht selten zum Schaden der Patienten.

Link

Wie gesagt, die EBM bringt die Wahrheit ans Licht und trennt die Spreu vom Weizen.

Doch der WDR wäre nicht der WDR, wenn er nicht gleich ein Hintertürchen für die in der Bevölkerung ja ach so beliebten und von ihm hofierten „besonderen Therapierichtungen“ (Phytotherapie, Homöopathie und Anthroposophische Medizin) offen lassen würde.

Auswirkungen auf die Naturheilkunde

Die Überschätzung der Evidenzbasierten Medizin führt vor allem zu einer Schwächung der sogenannten „besonderen Therapierichtungen“. Dazu gehören die Phytotherapie, die Homöopathie und die anthroposophische Medizin. Als besonders erfahrungsorientiert stützen sich diese Therapien nicht nur auf statistische Prüfverfahren. In der Bevölkerung genießen sie dennoch eine hohe Wertschätzung, denn sie sind preiswert, wirksam und nebenwirkungsarm. Laut einer Allensbach-Umfrage verwenden 73 Prozent der Bevölkerung gerne und oft Naturheilmittel. Ein Drittel der Bevölkerung rechnet die Entscheidungsfreiheit des Arztes zu den wichtigen politischen Anliegen. Durch die Evidenzbasierte Medizin besteht die Gefahr, dass Therapien und Medikamente der „besonderen Therapierichtungen“ den behandelnden Ärzte nach und nach entzogen werden.

Link

Hierbei ist zunächst einmal anzumerken, dass die unter der Überschrift „Naturheilkunde“ zusammmengefassten „besonderen Therapierichtungen“ bis auf die Phytotherapie – welche sehr wohl EBM-Verfahren zugängig ist – nicht der Naturheilkunde zuzurechnen sind. Sowohl die Homöopathie als auch die Anthroposophische Medizin haben mit Naturheilkunde allenfalls kleine Berührungspunkte, bewegen sich aber Größtenteils im Bereich der Glaubensmedizin. Auch wenn der Glaube manchmal Berge zu versetzen mag, gab es z.B. für die Homöopathie bis heute, trotz jahrhundertelanger Bemühungen seitens der Homöopathen, keinen wissenschaftlichen Wirksamkeitsbeleg, welcher über einer reinen Placebotherapie lag. Das von James Randi offerierte Preisgeld von 1Mio Dollar für einen wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis der Homöopathie wurde bis heute nicht ausgezahlt.

Der WDR versucht nun mit der angeblich besonders hohen Zufriedenheit der Bevölkerung mit diesen Verfahren zu argumentieren. Die Mehrzahl von Anekdoten ist aber wie wir wissen kein Beweis für die Wirksamkeit einer Therapiemethode, oder „Der Plural von Anekdote ist nicht Daten“.

Betrachten wir die Anthroposophische Medizin, welche auf den wirren Gedankengängen und der angeblichen Hellsichtigkeit Rudolf Steiners beruht: Ein grundlegendes Elemente der Anthroposophischen Medizin ist der Glaube (Wobei Anthroposophen nicht glauben, sondern „wissen“) an Reinkarnation und Karma. Krankheit in der Anthroposophischen Medizin ist durch karmische Ursachen bedingt. Wer krank ist, hat dies in der Regel durch eigene Missetaten aus früheren Leben selbst zu verantworten. Stirbt man an einer Krankheit, dann bedeutet dies für einen Anthroposophen dennoch einen persönlichen Entwicklungsschritt begangen zu haben, der sich in einer späteren Inkarnation auszahlen wird.
Dass man in der anthroposophischen „Medizin“ mit EBM-Methoden nicht weiter kommt dürfte klar sein. Zum einen ist es wohl kaum möglich EBM-Studien über mehrere Inkarnationen eines Individuums anzufertigen, zum anderen kann es für das einzelne Individuum durchaus sinnvoller sein, an einer Krankheit zu versterben, als dass man ihm mit wirksamen, EBM erprobten Medikamenten hilft. Seinem Karma kann man schliesslich nicht entgehen.
Anstatt mit der angeblichen Zufriedenheit, der in der Regel unwissenden Bevölkerung wäre es doch einmal schön, wenn sich der WDR mit den Basics der Anthroposophischen Medizin beschäftigen würde. Dann könnten z.B. die Eltern der an der tödlich verlaufenden Masenfolge SSPE erkrankten Kinder diese trösten, dass es zwar in diesem Leben nichts mehr werden wird, sie sich aber durch ihren frühen Tod auf einen „Überschuss an Kraft und Lebensmotivation im nächsten Leben“ freuen dürfen.
Die Redaktion der Sendung scheint was die Methoden der EBM angeht mit zweierlei Mass zu messen. Wenn die Redaktion in der Evidence Based Medicine eine Gefahr für die besonderen Therapieformen sieht, sollte sie deren ideologischen Hintergründe einmal näher beleuchten, damit sich der Zuschauer wirklich eine Meinung bilden kann. Die Daseinsberechtigung dieser besonderen Therapierichtungen einzig aus der Zufriedenheit der Bevölkerung heraus zu rechtfertigen, und damit in die üblichen Marketingstartegie der Vertreter dieser Therapieformen zu verfallen ist zu billig.

Die Evidence Based Medicine ist nicht nur eine Gefahr für den Umsatz so mancher Pharmafirma, sie hat auch das Potential den Aberglauben aus der Medizin zu verbannen. Scheinbar ist dem WDR nur an Ersterem gelegen.

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