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Artikel Tagged ‘Evidenzbasierte Medizin’

Transparenzoffensive, Teil III: Werbung für ein Buch unserer geheimen Sponsoren

7. Oktober 2012 1 Kommentar

Vorwort

Aufgrund aktueller Ereignisse und des neuen Zeitgeistes der Transparenz und Offenheit über Finanzierungen entschlossen sich unsere geheimen Sponsoren wir uns, eine neue Charmebolzen- und Transparenzoffensive zu starten, dass einem der Schlübber qualmt. Dies kommt auch den besorgten Menschen entgegen, die immer noch nicht überzeugt sind, dass wir gesponsert werden oder nur unzureichende Klarheit haben, von wem.

Transparenzoffensive, Teil III: Werbung für ein Buch unserer geheimen Sponsoren

Im unbarmherzigen Vernichtungskrieg gegen Alternativmedizin, Komplementärmedizin, Integrativmedizin (oder wie phantasievoll man auch immer die evidenzbefreiten Fliegenspeißen sonst nennen mag), gegen die unsere Sponsoren verbittert ankämpfen, ist ein neuer Coup gelungen. Eine als Buch verkleidete Pharma-Werbung.

Aus Angst vor schmaleren Gewinnen und der damit verbundenen Gefahr, auf kleine Annehmlichkeiten wie First-Class-Nu… ähm-Damen, Kokain der Güteklasse AAA+++ und Swimmingpools gefüllt mit Veuve Clicquot temporär oder gar dauerhaft verzichten zu müssen, wurde der mächtige Federführer Ben Goldacre, quasi Jedi im Kampf gegen die sogenannten Pseudowissenschaften, verpflichtet.

Der von uns heiß geliebte (nicht zwingend sexuell, eher platonisch), aber natürlich auch von Big Pharma gesponsorte (Spin-)Doctor Ben ist bekannt für seine Artikel im Guardian und für sein als Werbeprospekt verkleidetes Buch „Die Wissenschaftslüge“ – ein Titel, der zu äußerst ärgerlichen bibliophilen Fehlinvestitionen im deutschen Sprachraum geführt haben soll.

Der Originaltitel „Bad Science“ (so heißt auch seine Webseite) ist da schon weniger irreführend, täuscht aber echte Kenner der alternaiven Medizin nicht darüber hinweg, dass dieses Schand- und Schmähwerk beim Niveaulimbo gegen das Käseblatt vom nächsten Supermarkt ohne Anlauf zu nehmen gewinnen würde.

Der Titel des neuen Werkes:

Good Pharma: How nice Drug Companies Lead Doctors and Help Patients, auf deutsch etwa:

Gute Pharmaindustrie: Wie nette Medikamenthersteller Ärzte führen und Patienten helfen

Aber lesen Sie selbst das Vorwort seines Hochgesangs auf unsere Sponsoren:

Here’s the foreword to my new book.

Auch raten wir jedem, diesen Werbespot anzusehen, der als angeblich seriöser TED-Talk daherkommt und doch nur eine Werbeveranstaltung unserer geliebte Pharmaindustrie ist. Hier werden die einzigartigen Vorteile des sakrosankten Kartell-Dreiecks zwischen Forschung, angeblichen Publikationsproblemchen und saubersten Herstellern immer besserer und nicht kritisierbarer Produkte herausgearbeitet.

PS:Wir weisen die Freunde und Förderer der Alternativmedizin freundlichst darauf hin, dass unsere Sponsoren die Patente auf Lug & Trug haben und jeder Urheberrechts- oder Patentverstoß, sei es durch statistische oder sonstige „alternative Studieninterpretationen“ oder „Manipulationen durch Weglassen“ überall auf dem Planeten Erde und im restlichen Alphaquadranten durch die Space-Justiz verfolgt wird und zu langjährigen Aufenthalten in der Grube von Carkoon führen.

Dies gilt insbesondere für die Bewohner des Planeten IntraG  (Tach, Herr Walach!).

Schließlich ist niemandem der längere Aufenthalt ohne guten und dauerhaften Sonnenschutzfaktor zu wünschen:

Na? Da will doch niemand hin! (Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/)

6. World Skeptics Congress Berlin – 19.05.2012

2. Juni 2012 2 Kommentare

Hier ist Teil 2 des Gast-Foto-Blogs zur sechsten Welt-Skeptiker-Konferenz in Berlin. Besten Dank wieder unserer Forumsleserin.
Und hier kommt Ihr zum ersten Teil und zum abschließenden dritten Teil.

Bereits früh am Morgen des zweiten Tages waren James Randi und D.J. Grothe am JREF-Stand.

Geduldig führten sie Gespräche, schüttelten Hände und ließen sich fotografieren. Randi verteilte großzügig Geld, besser gesagt Flyer in Form eines 1 Million US-Dollar Schecks. „Hey, want a million? Come take two.“
Mehr…

Wieviel Medizin ist evidenzbasiert?

26. September 2011 9 Kommentare

Vor einigen Wochen stolperten wir im GEO-Magazin über die Behauptung, dass nur 40 % der medizinischen Behandlungen evidenzbasiert seien. Da der Artikel viele Fehler enthielt (wir haben über die Mängel gebloggt) und keine echte Quelle angegeben war (abgesehen von der Behauptung, dass es sich um ein Zitat eines früheren Präsidenten der Bundesärztekammer handle), waren wir geneigt, die Aussage ohne weitere Betrachtung zu verwerfen.

Aber dann dachten wir über die Frage nach und begannen zu suchen. Wir fanden ein offizielles Dokument zu Evidenzbasierter Medizin und eine der Evidenzbasierten Medizin gewidmete Webseite des British Medical Journal, die beide diese Behauptung stützen.

Clinical Evidence

Klinische Evidenz für Medizin

Die BMJ-Seite enthält ein nettes Diagramm, das zeigt, dass die Wirksamkeit von 51 % der medizinischen Behandlungen unbekannt ist. 51 %. Weitere 15 % sind schädlich oder zumindest wahrscheinlich ineffektiv. Wir waren verblüfft. Nach diesen Zahlen wäre Medizin (etwa 40 % erwiesene Wirksamkeit) gar nicht soviel besser als Alternativmedizin (etwa 0 % erwiesene Wirksamkeit).

 

 

Ein Anteil von 51 % bei medizinischen Behandlungen mit unbekannter Wirksamkeit? Wow. Perplex fragten wir Professor Edzard Ernst:

Sie kennen vermutlich die folgende Seite:
http://clinicalevidence.bmj.com/ceweb/about/knowledge.jsp

Die Übersicht ist ja nicht gerade berauschend. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ist es nicht unfair auf alternative Methoden herunter zu blicken, wenn es noch solche Lücken in der Medizin gibt?

  • Erstens: Zum Teil beruht die niedrige Prozentzahl der Behandlungen mit bewiesener Wirksamkeit darauf, dass in dieser Übersicht auch die Alternativmedizin enthalten ist.
  • Zweitens enthält die Einschätzung alle medizinischen Behandlungen, auch solche, die nur selten angewendet werden. Betrachtet man die Prozente für effektive Behandlungen, die täglich angewendet werden, kommt man auf einen Wert von etwa 80 %.
  • Drittens ist der Prozess Wissenschaft auf Medizin anzuwenden noch relativ jung – wir betrachten da einen Vorgang, der noch lange nicht abgeschlossen ist.
  • Viertens, wenn ein Bereich nicht optimal ist, so ist das keine Rechtfertigung für einen anderen, noch schlechter zu sein.

Alternativmedizin ist in den Zahlen inkludiert? Na dann, das erklärt einiges.

“By definition”, I begin
“Alternative Medicine”, I continue
“Has either not been proved to work,
Or been proved not to work.
You know what they call “alternative medicine”
That’s been proved to work?
Medicine.”

(Storm von Tim Minchin)

WDR: „Servicezeit Gesundheit“

3. September 2008 7 Kommentare

In der letzten WDR-Sendung „Servicezeit Gesundheit“ vom 01.09.2008 wurde das Thema Evidence Based Medicine (EBM) aufgegriffen.
In der EBM wird versucht Therapieverfahren und Medikamente nach wissenschaftlichen Kriterien einer Wirksamkeitsüberprüfung zu unterziehen. Ein sehr sinnvoller Ansatz, denn nur dadurch ist es möglich, dass wirkungslose oder gar schädliche Therapieverfahren und Wirkstoffe auf dem Müllhaufen der Medizingeschichte landen. EBM ist Angewandte Wissenschaft zum Wohl des Patienten.

So schreibt der WDR auf seiner Website:

Was ist die richtige Therapie? Der Arzt mit seinem Wissen und seiner Erfahrung wird es wissen, glauben Patienten vertrauensvoll. Doch dieses Vertrauen sei nicht gerechtfertigt, behaupten immer mehr kritische Mediziner. Ihr Verdacht: Die ärztliche Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Therapie beruhe zu wenig auf wissenschaftlichen Ergebnissen oder „Evidenz“. Vielmehr stützten sich viele Ärzte auf ihre Intuition und auf „Eminenz“ – Fachgesellschaften, Pharmavertreter und honorige Professoren diktieren, was angeblich wirksam und gut ist. Nicht selten zum Schaden der Patienten.

Link

Wie gesagt, die EBM bringt die Wahrheit ans Licht und trennt die Spreu vom Weizen.

Doch der WDR wäre nicht der WDR, wenn er nicht gleich ein Hintertürchen für die in der Bevölkerung ja ach so beliebten und von ihm hofierten „besonderen Therapierichtungen“ (Phytotherapie, Homöopathie und Anthroposophische Medizin) offen lassen würde.

Auswirkungen auf die Naturheilkunde

Die Überschätzung der Evidenzbasierten Medizin führt vor allem zu einer Schwächung der sogenannten „besonderen Therapierichtungen“. Dazu gehören die Phytotherapie, die Homöopathie und die anthroposophische Medizin. Als besonders erfahrungsorientiert stützen sich diese Therapien nicht nur auf statistische Prüfverfahren. In der Bevölkerung genießen sie dennoch eine hohe Wertschätzung, denn sie sind preiswert, wirksam und nebenwirkungsarm. Laut einer Allensbach-Umfrage verwenden 73 Prozent der Bevölkerung gerne und oft Naturheilmittel. Ein Drittel der Bevölkerung rechnet die Entscheidungsfreiheit des Arztes zu den wichtigen politischen Anliegen. Durch die Evidenzbasierte Medizin besteht die Gefahr, dass Therapien und Medikamente der „besonderen Therapierichtungen“ den behandelnden Ärzte nach und nach entzogen werden.

Link

Hierbei ist zunächst einmal anzumerken, dass die unter der Überschrift „Naturheilkunde“ zusammmengefassten „besonderen Therapierichtungen“ bis auf die Phytotherapie – welche sehr wohl EBM-Verfahren zugängig ist – nicht der Naturheilkunde zuzurechnen sind. Sowohl die Homöopathie als auch die Anthroposophische Medizin haben mit Naturheilkunde allenfalls kleine Berührungspunkte, bewegen sich aber Größtenteils im Bereich der Glaubensmedizin. Auch wenn der Glaube manchmal Berge zu versetzen mag, gab es z.B. für die Homöopathie bis heute, trotz jahrhundertelanger Bemühungen seitens der Homöopathen, keinen wissenschaftlichen Wirksamkeitsbeleg, welcher über einer reinen Placebotherapie lag. Das von James Randi offerierte Preisgeld von 1Mio Dollar für einen wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis der Homöopathie wurde bis heute nicht ausgezahlt.

Der WDR versucht nun mit der angeblich besonders hohen Zufriedenheit der Bevölkerung mit diesen Verfahren zu argumentieren. Die Mehrzahl von Anekdoten ist aber wie wir wissen kein Beweis für die Wirksamkeit einer Therapiemethode, oder „Der Plural von Anekdote ist nicht Daten“.

Betrachten wir die Anthroposophische Medizin, welche auf den wirren Gedankengängen und der angeblichen Hellsichtigkeit Rudolf Steiners beruht: Ein grundlegendes Elemente der Anthroposophischen Medizin ist der Glaube (Wobei Anthroposophen nicht glauben, sondern „wissen“) an Reinkarnation und Karma. Krankheit in der Anthroposophischen Medizin ist durch karmische Ursachen bedingt. Wer krank ist, hat dies in der Regel durch eigene Missetaten aus früheren Leben selbst zu verantworten. Stirbt man an einer Krankheit, dann bedeutet dies für einen Anthroposophen dennoch einen persönlichen Entwicklungsschritt begangen zu haben, der sich in einer späteren Inkarnation auszahlen wird.
Dass man in der anthroposophischen „Medizin“ mit EBM-Methoden nicht weiter kommt dürfte klar sein. Zum einen ist es wohl kaum möglich EBM-Studien über mehrere Inkarnationen eines Individuums anzufertigen, zum anderen kann es für das einzelne Individuum durchaus sinnvoller sein, an einer Krankheit zu versterben, als dass man ihm mit wirksamen, EBM erprobten Medikamenten hilft. Seinem Karma kann man schliesslich nicht entgehen.
Anstatt mit der angeblichen Zufriedenheit, der in der Regel unwissenden Bevölkerung wäre es doch einmal schön, wenn sich der WDR mit den Basics der Anthroposophischen Medizin beschäftigen würde. Dann könnten z.B. die Eltern der an der tödlich verlaufenden Masenfolge SSPE erkrankten Kinder diese trösten, dass es zwar in diesem Leben nichts mehr werden wird, sie sich aber durch ihren frühen Tod auf einen „Überschuss an Kraft und Lebensmotivation im nächsten Leben“ freuen dürfen.
Die Redaktion der Sendung scheint was die Methoden der EBM angeht mit zweierlei Mass zu messen. Wenn die Redaktion in der Evidence Based Medicine eine Gefahr für die besonderen Therapieformen sieht, sollte sie deren ideologischen Hintergründe einmal näher beleuchten, damit sich der Zuschauer wirklich eine Meinung bilden kann. Die Daseinsberechtigung dieser besonderen Therapierichtungen einzig aus der Zufriedenheit der Bevölkerung heraus zu rechtfertigen, und damit in die üblichen Marketingstartegie der Vertreter dieser Therapieformen zu verfallen ist zu billig.

Die Evidence Based Medicine ist nicht nur eine Gefahr für den Umsatz so mancher Pharmafirma, sie hat auch das Potential den Aberglauben aus der Medizin zu verbannen. Scheinbar ist dem WDR nur an Ersterem gelegen.

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