Lieber Prinzipien reiten als Menschenleben retten oder: Der Streit um die E-Zigarette, die WHO und das Deutsche Krebsforschungszentrum

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Lasst uns ein Gedankenexperiment machen. Man stelle sich vor, jeder Raucher in den USA würde auf E-Zigaretten umsteigen. Was wären die Folgen? Eine E-Zigarette ermöglicht es im Wesentlichen, nikotinsüchtig zu sein (Nikotin ist nicht krebserregend), das haptische Erlebnis des Rauchens zu haben, ohne sich 60 und mehr krebserregenden Stoffen oder anderen hunderten giftigen Chemikalien auszusetzen, die beim Verbrennen von Tabak entstehen. Wenn alle US-amerikanischen Raucher “dampften” anstatt zu rauchen, könnten ca. 480.000 Todesfälle jährlich verhindert werden. Wir werden natürlich nicht zu einer solchen vollständigen Veränderung kommen, aber es ist eine Tatsache, dass der Zusammenhang zwischen Rauchen und Sterben an Krebs und anderen Krankheiten sehr klar vorhanden ist.

(Frei übersetzt aus einem Artikel von Daniel Sarewitz, Nature 512, 349 (28 August 2014) doi:10.1038/512349a) [1], [2]

Jeder wird sie inzwischen vermutlich kennen: Die E-Zigarette. Die weltweite Forschergemeinschaft ist sich zwar in ihrer Mehrheit einig, dass sich durch die E-Zigarette das hohe Risiko des Tabakrauchens drastisch verringern lässt. Trotzdem tobt bei der WHO gerade ein Kampf darum, wie man mit der E-Zigarette umgehen soll. Es gingen jeweils kontroverse Aufrufe an die WHO Generaldirektorin Margaret Chan.[3][4] Etwas flapsig, aber wohl zutreffend ausgedrückt, streiten sich die Pragmatiker mit den Prinzipienreitern. Das Deutsche Krebsforschungszentrum mit seiner für diesen Bereich Verantwortlichen Martina Pötschke-Langer gehört definitiv zu Letzteren, und wir sind der Meinung, dass man statt Prinzipien und Bedenkenträgerei zu reiten, lieber die Chancen, viele Menschenleben pragmatisch zu retten, wahrnehmen sollte. Ja, sogar dann, wenn die Tabakindustrie auch auf den Zug mit aufspringt. “Es droht eine Epidemie wie bei Tabakzigaretten”[5] prophezeit Martina Pötschke-Langer in einem Spiegel-Interview. Wie das bei einem Suchtstoff vonstatten gehen soll, bei dem lediglich die Zufuhr auf eine deutlich weniger schädliche Art erfolgt, kann sie nicht glaubhaft belegen. Mit welcher Argumentation das DKFZ versucht, die E-Zigarette zu verhindern, sei im Folgenden beispielhaft für die weltweite Diskussion angerissen, ebenso einige Fakten zum grundsätzlichen Verständnis dargestellt.

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Die WHO und die Paramed… äh, Traditionelle Medizin

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Seit langem bemüht sich die Weltgesundheitsorganisation um die „Integration“ der mit Ehrfurcht und Respekt behandelten anderen Medizin. Bereits in der Deklaration von Alma-Ata von 1978 habe die WHO „dazu aufgerufen, die traditionelle Medizin in die Grundversorgung einzubeziehen“ [vgl. hier], wenn auch zunächst nur in einem Halbsatz: auch traditionelle Heiler sollten wenn nötig im „health team“ mitarbeiten. Später aber verhinderte erst die hartnäckige Obstruktion durch engstirnige, konventionelle Mediziner, dass eine Würdigung der Homöopathie durch die WHO beschlossen werden konnte. Seine königliche Hoheit der Prince of Wales etc. etc. war 2006 eingeladen, seine Vorstellungen zur „integrativen Medizin“ der Weltgesundheitsversammlung zu unterbreiten, was von der arroganten Medizinerzeitschrift Lancet als Beispiel für eine irrationale Entscheidungsfindung der WHO bedauert worden war [1]. Die Deklaration von Beijing von 2008 stellte einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zu einer „integrativen Medizin“ dar.

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Der sinnlose Tod der kleinen Kinder

Es macht einen wütend. Wütend ob der Sinnlosigkeit, weil es einfach nicht notwendig wäre. Wenn man in der Zeitung von kleinen Mädchen wie Aliana oder Angelina, vier und acht Jahre alt, lesen muss, die an SSPE, einer Langzeitfolge der Masern, erkrankt sind und einen sehr frühen Tod sterben werden, versteht man es einfach nicht.

Die Masern waren in unseren Breiten praktisch besiegt; die WHO hatte gehofft, sie bis 2015 auszurotten. Aber leider erkranken noch immer jedes Jahr 20 Millionen Menschen daran, was jede Stunde 16 Todesopfer fordert. Man kann hier leicht mit nackten Zahlen operieren, die Verhältnisse darlegen – wir haben es hier im Blog auch schon oft gemacht.

Aber besonders eindringlich verspürt man die Notwendigkeit, die Masern auszurotten, wenn man die Gesichter der Opfer vor Augen hat.

Bild der kleinen Aliana. Verlinkt ist eine Reportage bei RTL
Aliana in einer RTL Reportage

Aliana erkrankte wohl mit drei Monaten an den Masern. Eine seltene Langzeitfolge davon ist eine entzündliche Erkrankung des Gehirns, die nach Jahren auftritt. Aliana war vor wenigen Monaten noch ein fröhliches Kind; inzwischen verschlechterte sich ihr Zustand zusehends: sie kann weder stehen noch sitzen, spricht nicht mehr und wird über eine Sonde ernährt. In einer Reportage bei RTL kommen die Eltern zu Wort, man kann den Bericht nur mit Mitgefühl ansehen.

Die Eltern haben eine eigene Facebook Gruppe eingerichtet, in der man dem Schicksal der kleinen Aliana folgen kann.

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Wir impfen nicht! – Eine Rezension

Wir Impfen nicht!

Wir Impfen nicht!Der Aids-Leugner Michael Leitner hat einen Film mit dem Titel „Wir impfen nicht“ gedreht. Die Geschichte hätte sich anfangs um das tragische Schicksal des kleinen Leon drehen sollen, der angeblich an einer Impfung fast gestorben wäre.

Dummerweise (für den Film) gestand der Vater kurz darauf, dass er seinen Sohn fast tot geschüttelt hatte. Kein Impfschaden, einfach Kindesmisshandlung. Das Kind konnte gerettet werden, der Vater wurde schlussendlich verurteilt. Man könnte meinen: Ende der Geschichte. Aber den Film – den hat Herr Leitner trotzdem gedreht.

Wir haben ihn uns angesehen und halten nichts davon. Man kann uns hier sicher eine gewisse Voreingenommenheit vorwerfen; wir meinen: Wenn jemand HIV für einen Mythos hält, sollte er zu medizinischen Themen einfach grundsätzlich den Mund halten.

Der Film beginnt im Vorspann dann auch mit einer Suggestivfrage:

Würden Sie sich oder Ihren Kindern freiwillig eine der folgenden Substanzen injizieren lassen:
* Das Zell- und Nervengift Aluminium
* Oder das krebserregende Nervengift Formaldehyd?
* Dann vielleicht organische Quecksilberverbindungen wie Thiomersal?
* Oder einen Schwarm genetisch veränderter Mikroorganismen, die auf Embryonalzellen oder pürierten Mücken gezüchtet wurden?

Es wird angedeutet, dass Impfungen all das enthalten. Klingt schrecklich? Naja. Nicht wirklich.

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Das Salzburger Fenster und die Impfkritik

Manchmal fragt man sich, was in Journalisten, Redakteuren und bei Zeitungen im Allgemeinen vorgeht. Vor kurzem wurde durch das Salzburger Fenster ein Artikel online gestellt, den man nur als merkwürdig bezeichnen kann. Ok, zugegeben: es ist nur eine Gratiszeitung, was soll man da erwarten?
Nein doch, auch da muss man etwas erwarten. Wer eine Zeitung herausgibt, hat eine Verantwortung gegenüber dem Leser.

Die Autorin des Artikels tappt dabei in die Falsche Ausgewogenheit-Falle. Lässt sich leicht in einem Satz erklären: Es ist nicht notwendig, zum Thema Evolution einen Kreationisten nach seiner Meinung zu fragen.

Im fraglichen Artikel mit dem Titel „Kritik wegen Impfung gegen Krebs schon für Neunjährige“ geht es um die HPV-Impfung.

Diese Impfung ist nämlich inzwischen in Österreich im Rahmen des Schulimpfprogamms kostenfrei. So, und wen befragt man da zum Thema? Natürlich keinen Universitätsprofessor oder irgendeinen anerkannten Experten!

Nein, stattdessen fragt man die Grundschullehrerin Petra Cortiel und den steirischen „Arzt“ Johann Loibner. Den „Arzt“ haben wir in Anführungszeichen gesetzt, weil das medizinische Verständnis des Mannes einem richtiggehend Angst einflößt:

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Ebola? Da haben wir etwas für Sie…

  …schließlich sind wir gestandene Homöopathen! Und es ist gar nicht so schwer, man beherzige nur die folgenden Regeln:   Ist ein Ausbruch in der Nähe zu befürchten, dann nehmen Sie vorbeugend Crotalus horridus C30 (aus Amerikanischer Waldklapperschlange), einmal täglich, bis sich die Bedrohung verzogen hat. Hat sich jemand infiziert, gebe man zunächst einmal eine … Weiterlesen

Impfen in der Öko-Test

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Als ich letztens eher zufällig in der Stadtbücherei am Zeitschriftenregal vorbei kam, fiel mein Blick auf das Titelblatt der Juli-Ausgabe der Öko-Test. Dort las ich oben rechts in der Ecke:

Impfen: Ist es sinnvoll, gegen alle Kinderkrankheiten zu impfen?

Ich befürchtete schon das Schlimmste, immerhin ist die Öko-Test nicht ganz unumstritten.

Unter der Überschrift „Alles piekfein?“ folgt gleich die Unterzeile:

13 Impfungen in zwei Jahren: Die meisten Eltern stellten den Rundumschutz für ihr Kind nicht infrage. Doch wer Zweifel am Vollkaskopaket äußert, gerät unter Rechtfertigungsdruck. Die Impfdebatte ist hochemotional.

Doch der eigentliche Artikel wäre (zumindest für eine solche Zeitschrift) ganz in Ordnung. So kommt das Robert-Koch-Institut zu Wort und erklärt unter anderem, dass beispielsweise die Masern nicht die harmlose „Kinderkrankheit“ sind, für die sie bisweilen gehalten werden.

Wäre da nur nicht der letzte Absatz:

Die Argumente für das Impfen liegen auf der Hand, aber Einwände lassen sich nicht einfach von der Hand weisen – doch die Entscheidung nimmt den Eltern niemand ab. Der Verein Ärzte für Individuelle Impfentscheidung (www.individuelle-impfentscheidung.de), dessen Mitglieder sich ausdrücklich nicht als Impfgegner verstehen, unterstützen Eltern bei der Suche nach einem Arzt, der sie berät. Vielen Müttern und Vätern wäre vermutlich schon geholfen, wenn der eigene Kinderarzt ihre Bedenken ernst nehmen würde.

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Die Evangelischen Frau_innen, der Hirntod und die Organspende

Die Evangelischen Frauen in Deutschland haben einen umfangreichen Text über Hirntod und Organtransplantation verfasst, der sich mit einer Fülle von Forderungen ausdrücklich an den Gesetzgeber, die Öffentlichkeit, die Kirchen und überhaupt an jeden richtet. Auch an uns. Frau würde es nämlich sehr gut finden, wenn wir auf das Positionspapier 2013 zur Organtransplantation hinweisen könnten. Aber natürlich, liebe Evangelische Frau_innen, machen wir! Ein wenig Blättern in dem Text wird dann ja wohl erlaubt, nein: geradezu erwünscht sein.

Weit kommt man nicht beim Blättern, ohne zu stolpern (S. 5):

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LMU: Eine Uni wird geräuchert

Eröffnet Hogwarts an der Oder eine Filiale an der Isar? Man möchte es fast meinen, vernimmt man den GWUP-Blog. Kopfkratzend liest man dort Bernd Harders Artikel “Heiler und Medizinmänner: Wird die LMU München zur Schwitzhütte?”. Es geht um den “Weltkongress der Ganzheitsmedizin”, veranstaltet von “Infomed – Institut für Ganzheitsmedizin” und man fragt sich, was das an einer Uni, und dann auch noch an der renommierten Ludwig-Maximilians-Universität (LMU ) zu suchen hat. “Nichts”, meint sinngemäß auch der Dekan der Medizinischen Fakultät, welchen die GWUP um Stellungnahme bat:

Wir haben die LMU angeschrieben und vom Dekan der Medizinischen Fakultät, Herrn Prof. Dr.med. Dr.h.c. Maximilian Reiser, persönlich eine Antwort erhalten.
Demnach ist ein “Weltkongress der Ganzheitsmedizin” der Hochschulspitze nicht bekannt und den Hinweis auf die Fakultät erachte man als “rufschädigend”.

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