Vielleicht sollte Andrew Wakefield Heilpraktiker in Deutschland werden. Dann könnte der wegen „standeswidrigen Verhaltens“ und Studienfälschung in seiner Heimat mit Berufsverbot belegte britische Arzt in einem weitgehend deregulierten Bereich des Gesundheitswesens mit abenteuerlichen Thesen jene Anerkennung ernten, die ihm im Wissenschaftsbetrieb versagt blieb. Derzeit buhlt er mit einem selbst produzierten Film um Aufmerksamkeit, in dem er mit viel rhetorischem Geschick („ich stelle nur Fragen“) einen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus herstellen möchte und verwirrt damit sogar manchen Skeptiker. Wir widmen ihm einen Teil unserer Linksammlung und verweisen zur Orientierung auf den zugehörigen Artikel im Psiram-Wiki.
Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW13, 2017)
Als Skeptiker meinen wir es doch gut mit unseren Mitmenschen. Fällt uns auf, dass jemand offensichtlich einem Irrtum erliegt, sind wir sofort bereit, mit unserem Wissen, umfassenden Erklärungen sowie einer Sammlung passender Studien und Belege auszuhelfen. Erstaunlicherweise ernten wir dafür selten Dank, sondern beobachten stattdessen, dass die soeben aufgeklärte Person sich nur noch fester an ihre bisherigen Ansichten klammert. Stimmt vielleicht mit unserer Strategie etwas nicht?
Der Backfire-Effekt sorgt dafür, dass wir uns nicht so leicht umstimmen lassen, ob Skeptiker oder nicht. Mehr dazu gibt es diese Woche im Podcast „skeptisCH“ der Schweizer Skeptiker. Für alle, die trotzdem die Welt vor dem Irrtum retten möchten, bietet unsere Linksammlung reichlich Munition zur kritischen Überprüfung.
Wissenschaft, Verschwörung und Demokratie
Noch stehen wir ratlos der Vorstellungswelt gegenüber, die sich der freidrehende menschliche Intellekt schaffen kann, wenn er losgelöst von der Wirklichkeit und wider die simpelste Einsicht in die Natur der Dinge und der Menschen agiert. Der mächtigste Mann der Welt ist nebenbei Impfgegner, und zu seinen Kumpanen hat er beispielsweise
- einen Klimawandel-“Skeptiker“ als Umweltminister (vorher bekannt als der erbittertste Feind des Umweltministeriums im Sold der Industrie),
- einen Energieminister gleichen Zuschnitts (er hat gerade verboten, dass in den Texten seines Ministeriums Worte wie „Klimawandel“, „Emissionsreduktion“ oder „Pariser Abkommen“ erscheinen, hier),
- eine Gegnerin der öffentlichen Schulbildung als Bildungsministerin (sie sagt, Waffen gehören in die Schulen, falls die Grizzlybären angreifen, hier),
- einen Justizminister mit rassistischer Vorgeschichte (er hat Wahlhelfer der Schwarzen in Alabama verfolgen lassen),
- einen menschenscheuen Außenminister (seine Unterstellten sind angewiesen, ihm nicht in die Augen zu schauen, hier),
- usw.
Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW12, 2017)
Gesundheit und Medizin
Humanistischer Pressedienst: Negativpreis – Dr. Jens Baas erhält „Bremsklotz des Monats“
Die Partei der Humanisten verleiht den sogenannten „Bremsklotz des Monats“ an Techniker-Vorstandsvorsitzenden Dr. Jens Baas für das vorsätzliche Ignorieren wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Nichtwirksamkeit von Homöopathie.
Skeptical Raptor: Chronic Lyme disease – is there any scientific evidence supporting it?
There is no evidence that chronic Lyme disease is caused by a persistent Lyme disease infection…
Despite this lack of scientific, medical and clinical evidence, a whole cottage industry has arisen to promote the myth of chronic Lyme disease along with selling expensive treatments that have shown little or no clinical efficacy. Furthermore, a whole activist movement that argues that CLD is a real disease, and they can be a vociferous and radical as your every day anti-vaccine activist. In fact, a lot of the arguments are similar between the CLD and anti-vaccine groups – over reliance on anecdotes, cherry picking scientific articles, and claims of some sort of conspiracy
Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW11, 2017)
Werte Krankenversicherungen, wir haben da ein paar ungeklärte Fragen, die uns gerade unlösbare Knoten in den Hirnwindungen verursachen. Letzte Woche haben wir von Euch gehört, dass die Kostenübernahme für Cannabis in der Schmerztherapie Schwierigkeiten verursache, weil es an Wirksamkeitsnachweisen fehle. Wie wir eine Woche zuvor erfahren haben, scheint dieses Kriterium im Falle der Homöopathie jedoch keine Rolle zu spielen. Habt Ihr die Sache noch im Griff? Wir empfehlen, etwas Ordnung in diese Argumentation zu bringen. Unsere Linksammlung möge dabei helfen. Falls nicht, kann es vielleicht Paul Watzlawick richten: Vom Unsinn des Sinns oder vom Sinn des Unsinns
Wie sieht es mit dem Goldenen Reis aus?
Vor einigen Wochen wurde eine Studie zum Goldenen Reis mit dem schönen Titel „Molecular and Functional Characterization of GR2-R1 Event Based Backcross Derived Lines of Golden Rice in the Genetic Background of a Mega Rice Variety Swarna“ veröffentlicht, die innerhalb von kurzer Zeit zu diversen „Goldener Reis ist ein Fehlschlag“ Meldungen auf gentechnikfeindlichen Webseiten führte. Im deutschen Raum geschah das zum Beispiel durch Christoph Then von Testbiotech, der einmal mehr bewies, dass ein Tierarzt, der seine Dissertation über Homöopathie schrieb, auch zur Gentechnik Nichts zu sagen hat.
Wir wollen das zum Anlass nehmen, das Thema erneut zu beleuchten. Einem Leser, dem das Thema unbekannt ist, sei zum Einstieg der Artikel Goldener Reis – Fluch oder Segen? Ein Faktencheck empfohlen. In Kürze: Beim Goldenen Reis handelt es sich um eine gentechnisch geschaffene Sorte, die helfen soll, den in Südostasien verbreiteten Vitamin-A Mangel zu beseitigen.
Wenn der Reis erfolgreich ist, könnte damit einfach und kostengünstig ein erheblicher Teil des Vitamin-A Bedarfs der Kinder Asiens gedeckt werden. Und das ohne das Risiko einer Vitamin-A Vergiftung, die bei Supplementierung mit Tabletten besteht, da der Reis nur Beta-Karotin enthält, eine Vitamin-A Vorstufe, wie man sie eben von Karotten und anderem Gemüse kennt. Seit 20 Jahren verteilen Hilfsorganisationen jährlich Hunderte Millionen Vitamin-A Tabletten, was Kosten von 500 Millionen Dollar pro Jahr verursacht. Dennoch wurden zum Beispiel 2014 in Bangladesh nur 62,1% der Kleinkinder mit Supplemtierung erreicht.
Eine bessere Lösung wäre daher wünschenswert. Ethisch betrachtet muss man daher jeder guten Idee die Daumen drücken und kann nur hoffen, dass Goldener Reis ein Erfolg wird.
Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW10, 2017)
Spaß mit der Techniker-Krankenkasse: Eine einfache Frage via Twitter löste in der letzten Woche eine interessante Diskussion aus: Wünschen Patienten die Behandlung mit wirkungslosem Zauberzucker auf Kassenkosten? Folgt die Kasse diesem Wunsch, warum werden dann Zahnersatz und Sehhilfe nicht erstattet? Diese Grundsatzdiskussion ist überfällig und will geführt werden: Wissenschaft oder Wunderwunsch – was zählt im Gesundheitswesen mehr?
Afghanistan: Die glorreichen 65.000
Bei „Den glorreichen Sieben“ (hier sei auch das „Original“ Die sieben Samurai von Akira Kurosawa empfohlen) handelt es sich um eine bunt zusammengewürfelte Truppe, die ein armes Dorf gegen üble Banditen verteidigen und die dabei auch einen hohen Blutzoll zu entrichten hat.
In gewisser Hinsicht ist die Situation in Afghanistan ähnlich. Das Land wird von einem grausamen Feind bedroht, der Kinderlähmung. Aber zur Verteidigung der Menschen haben sich nicht sieben Revolverhelden, sondern zehntausende Impfhelfer und Freiwillige, gefunden. Dazu gehören nicht nur die Angestellten der WHO, Ärzte und Menschen die von Haus zu Haus gehen, sondern auch traditionelle Heiler, Mullahs, Bewahrer heiliger Stätten, und auch einfach Eltern, die sich um ihre Kinder sorgen. Zusammen treten sie an, die Kinderlähmung zurückzuschlagen und ein für alle mal zu besiegen.
Wie auch die glorreichen Sieben hatten sie bereits Opfer zu beklagen. Nicht nur in Afghanistan, auch in den anderen Ländern, wo diese Seuche noch heimisch ist. Bei Anschlägen auf Impfhelfer kamen schon öfter Menschen ums Leben, aber der Erfolg kann sich ebenfalls sehen lassen (PDF, Seite 10).
Noch vor 30 Jahren traf die Kinderlähmung jährlich 350.000 Menschen auf der ganzen Welt. 1988 setzte sich die WHO das Ziel, die Krankheit auszurotten. Und das mit großem Erfolg. Letztes Jahr gab es nur mehr 13 Fälle in Afghanistan, 4 in Nigeria und 20 in Pakistan. Diese drei Länder sind die letzten Landstriche, in denen das Virus noch heimisch ist.
Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW09, 2017)
Wissenschaftlich-kritisch denkende Menschen stehen oft ratlos vor der Frage: „Warum glaubt jemand einen solchen Unsinn?“. In der Tat ist es manchmal schwer nachvollziehbar, warum eindeutige Fakten, sachlich präsentiert und wasserdicht belegt, nicht die gewünschte Wirkung erzielen, nämlich die Überzeugung einer offensichtlich irrgläubigen Person zu ändern. Cornelius Courts hat im Scienceblog „blooD’N’Acid“ diese Woche eine interessante Studie ausgegraben, die einige neue Aspekte und Erkärungen zu diesem Phänomen liefert. Was die Divergenz zwischen Überzeugung und Realität mit der zunehmenden Komplexität der Welt zu tun hat, besprechen Dr. Jan Dreher und Dr. Alexander Kugelstadt im Psychcast. Für weitere Orientierungsansätze soll auch in dieser Psirama-Folge wieder unsere umfangreiche Linksammlung sorgen.
Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW08, 2017)
Eifrige Psiram-Leser wissen es längst: Fakten checken tut not. Namen und Repuation einer Quelle sind zweitrangig. Wichtig ist, ob der Inhalt einer genaueren Überprüfung stand hält. Das gilt auch (oder ganz besonders), wenn eine Information vom Präsidenten persönlich oder einer Ärztevereinigung mit stark verdünntem Fachwissen kommt. Zu Trainingszwecken enthält unsere wöchentliche Linkparade gelegentlich zweifelhafte oder zumindest diskussionswürdige Inhalte. Wir wünschen viel Spaß bei der Suche, Recherche und dem dabei entstehenden Erkenntnisgewinn.