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Archiv für die Kategorie ‘Pseudomedizin’

Homöopathie – „nur“ ein Irrtum?

1. November 2018 45 Kommentare

Im letzten Wochenrückblick haben wir eine Diskussion darüber angeregt, welchen Aufwand man betreiben sollte, um unwissenschaftliche und irrationale Behauptungen, speziell die Homöopathie, zu kritisieren. Udo Endruscheit hat diese Herausforderung angenommen und uns dazu einen umfangreichen Beitrag geschickt, für den wir uns sehr herzlich bedanken und den wir hier veröffentlichen dürfen:

Der Teaser zum Psiram-Wochenrückblick 43/2018 konstatiert völlig zu Recht ein grundlegendes Problem der Kritik an Pseudomedizin, speziell der Homöopathie: Wieder und wieder müssten Berge falscher Behauptungen widerlegt werden, obwohl die Causa faktisch längst geklärt ist. Psiram warf die Frage auf, ob sich das lohnt. Könnte man nicht ebenso gut Bullshit mit Gegenbullshit kontern?
Anbei eine persönliche Stellungnahme dazu.

220 Jahre Homöopathie – es nervt…

Die Homöopathiedebatte nervt beide Seiten – die Kritiker der Methode wie auch die Homöopathielobbyisten. Sie ist aber dennoch wichtig bis unverzichtbar, weil diese „Methode“ als „Medizin“ öffentliche Reputation genießt, obwohl sie seit ihrem Bestehen – seit 1796 ! – keinen belastbaren Wirkungsnachweis erbringen konnte. Die Liste der failed trials ist sehr lang – sie zieht sich von ersten dokumentierten Versuchen in den 1810er Jahren bis zu den neun systematischen Reviews der Studienlage zwischen 1991 und 2018, von denen kein einziges eine belastbare Evidenz für eine spezifische Wirkung der Homöopathie ergeben hat.

Nicht bloß eine Methodendebatte

Ein großes Problem besteht in der Desinformation. Die Privilegierung durch das Arzneimittelgesetz verschafft der Homöopathie (noch?) einen Vertrauensbonus. Sie braucht keinen Wirkungsnachweis zu erbringen, ihre gesetzliche Arzneimitteleigenschaft und den Marktzugang erhalten die Mittelchen ausschließlich durch einen innerhomöopathischen Meinungskonsens.

Ein anderes Problem findet noch viel zu wenig Beachtung: Die weit verbreitete unkritische Überzeugung von der Wirksamkeit der Homöopathie rüttelt an den Grundfesten rationalen Denkens und ignoriert die Notwendigkeit intersubjektiver Maßstäbe.

Homöopathie ist keine Meinungssache. Sie ist auch kein Streitgegenstand unter Wissenschaftlern. Homöopathie ist schlicht irrational. Warum?

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WHO: TCM ins ICD – Traditionelle Chinesische Heilkunde, die lichte Zukunft der Medizin?

27. Juni 2018 12 Kommentare

Die Weltgesundheitsorganisation hat einen neuen Entwurf der elften Version ihres Klassifikationssystems für medizinische Diagnosen (ICD) vorgestellt, die im nächsten Jahr verabschiedet werden soll. Vorgesehen ist eine neue Abteilung für „traditionelle medizinische Störungen“ (damit ist chinesische, japanische und koreanische „Naturheilkunde“ gemeint). Systematische Bestrebungen, Quacksalberei auf diese Weise hoffähig zu machen, gibt es schon seit längerem. Wir hatten die Geschichte dieser Bemühungen bereits angerissen und mit wenig Erfolg versucht, den Begriffswirrwar zu durchdringen (hier), dessen Zweck darin besteht, grundsätzliche Unterschiede zwischen „traditioneller“ und „westlicher“ Medizin zu verschleiern.

Die „Integration“ der Glaubensmedizin in die wissenschaftlich begründete Medizin erfordert eine gewisse gedankliche Flexibilität, ein Denken, das eingetretene Pfade verlässt. Ben Kavoussi von Science Based Medicine hatte das schon vor einiger Zeit mittels eines Foucault entlehnten Borges-Zitats illustriert [1]:

Dieser Text zitiert „eine gewisse chinesische Enzyklopädie“, in der es heißt, daß „die Tiere sich wie folgt gruppieren: a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörige, i) die sich wie Tolle gebärden, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, 1) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen“.

Was bringt die WHO dazu, einen derartigen Bruch mit der Wissenschaft zu vollziehen? Die Generaldirektorin der WHO, Frau Dr. Margaret Chan, äußerte sich zu diesem Thema in einer Grundsatzrede anlässlich der „International Conference on the Modernization of Traditional Chinese Medicine“ am 23. Oktober 2016.

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Die GWUP-Challenge zur Homöopathie: Warum die Homöopathen sie nicht ignorieren sollten

31. Mai 2018 26 Kommentare

Ein Gastbeitrag von Udo Endruscheit


Die GWUP und ihr homöopathiekritischer Zweig, das INH, haben bei der Skepkon in Köln die Auslobung eines Preises in Höhe von 50.000 Euro für hömöopathische Forscher bekannt gegeben. Wer als erster in zwei Durchgängen drei von ihm selbst vorher gewählte homöopathische Hochpotenz-Mittel (C30) unterscheiden und identifizieren kann und dies mit einer reproduzierbaren Verfahrensbeschreibung belegt, erhält diesen Preis.

Finde den Unterschied!

Es gibt dazu genaue Spielregeln, die auf der Webseite der GWUP einsehbar sind. Nur in einem Punkt gibt es keine „Spielregel“: Die Methode, mit der dies geschieht, ist völlig frei wählbar. Von der klassischen homöopathischen Arzneimittelprüfung über physikalische oder chemische Analysemethoden bis hin zu wissenschaftlich nicht anerkannten Ansätzen ist ausdrücklich alles erlaubt – die GWUP will damit belegen, dass sie keinen den Skeptikern oft vorgeworfenen „Wissenschaftsdogmatismus“ betreibt, sondern allen Ansätzen gegenüber offen ist. Mehr…

Der Scharlatan ist ein Meister aus Deutschland

3. April 2018 42 Kommentare

Ein Kommentar von Udo Endruscheit im GWUP-Blog unter dem Artikel Weltberühmt: „Cancer quackery from Germany“  hat uns dazu angeregt, ihn um einen Gastbeitrag für unser Blog zu bitten. Daraus ist ein beeindruckender gesundheitspolitischer Rant entstanden, für den wir uns herzlich bedanken.

 

Mit Volldampf in die Regierungsarbeit – auch in der Gesundheitspolitik! Markige Sprüche, umfangreiche Forderungen von allen Seiten, es gibt offenbar eine Menge zu tun. Der Skeptiker hätte da auch noch ein spezielles, nach seiner Ansicht vordringliches Anliegen: Erst einmal in die Rumpelkammer schauen und ordentlich aufräumen! Dann ist auch wieder Raum für Neues.

Und in der gesundheitspolitischen Rumpelkammer gibt es einiges aufzuräumen. Denn in so mancher Beziehung ist Deutschlands Gesundheitswesen so ziemlich einmalig – leider im negativen Sinne.

Deutschland – das ist das Land der „Heilkundeausübenden“ mit Hauptschulabschluss, Multiple-Choice-Prüfung und beinahe völliger Therapiefreiheit, wie sie praktisch kein approbierter Arzt hat. Was Wunder, dass sich diese „Heilkundeausübenden“ auf breiter Front der verachteten „Schulmedizin“ überlegen fühlen. Was sie mit der stillschweigenden Duldung, wenn nicht Unterstützung der Gesundheitspolitik tun – denn wie sonst sollte man die neuen „Leitlinien für die Heilpraktikerprüfung“ deuten, die nicht im Mindesten das Problem einer medizinischen Parallelwelt lösen können, sondern sie eher noch verfestigen? Das alles, ohne die Übergangsregelungen der Bundesrepublik Deutschland für ein Gesetz aus dem Jahre 1939 anzutasten, wodurch dessen Ziel, das Ende jeglicher Laienheilung, ins Gegenteil verkehrt wurde. Mehr…

Das Elend der Selbsthilfeorganisationen – ein Fallbeispiel

2. Januar 2018 7 Kommentare

Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfevereine genießen weitverbreitet ein hohes gesellschaftliches Ansehen; auch wenn hier und da gelegentlich unangenehme Fragen auftauchen und die Effektivität der gewährten Hilfe durchaus in Frage stehen kann. Dass die Bedenken zuweilen nicht ganz unbegründet sind, liegt zu einem guten Teil an der Kritiklosigkeit, mit der solche Organisationen ihre Hilfsangebote zusammenklauben. Hier und da wäre ein fundierter fachlicher Rat besser als der schiere gute Wille. Kehrt sich dieses Verhältnis um, rollen die redlichen Ansätze geradewegs den roten Teppich aus für die Verbreitung pseudomedizinischer Heilsversprechen, über deren Validität sich erkennbar niemand dort ein fundiertes Urteil geschaffen hat. Ein Beispiel? Bitte sehr:

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Nur (Erfahrungs-)Fliegen ist schöner – mit dem Flugpraktiker

20. Oktober 2017 39 Kommentare

Die Debatte um eine möglicherweise bevorstehende Reform des Berufsrechts der Heilpraktiker schlägt Wellen. Berufsverbände des Heilpraktikerwesens sehen die Volksgesundheit in Gefahr, sollten verschärfte Kompetenz- und Prüfungsanforderungen in verbindliches Recht erwachsen; denn, so folgert der Vorsitzende der Freien Heilpraktiker, Dieter Siewertsen, so messerscharf wie decouvrierend: die in der Diskussion befindliche Kompetenzlösung käme „einer Abschaffung im Ergebnis gleich“.

Kompetenz, das wäre ja auch noch schöner – wo käme der Heilpraktiker da hin!

Oder, wie es der Vorsitzende des Bremer Heilpraktikerverbandes, Klaus Wischmann kürzlich so griffig formulierte:

 

 

„Wir wollen ja nicht wissenschaftlich arbeiten, das ist Empirie, also Erfahrungsheilkunde. Das haben wir von unseren Vätern, Urvätern, und wenn Sie wollen von den Indianern. Also das sind uralte Heilmethoden, die wir anwenden, und wir nehmen nicht für uns in Anspruch, dass wir sagen: wir arbeiten wissenschaftlich. Das wollen wir gar nicht.“

Das wollen Sie nicht? Na wenn das so ist, dann hätten wir für Ihre nächsten Urlaubsreisen, Herr Siewertsen und Herr Wischmann, einen Vorschlag, der Ihnen entgegenkommen dürfte: Mehr…

Netzwerke der Abzocker: Ulrich Fricke, der Apostel des Ordens der allheilenden Jungfrau der Vitamine

15. Juli 2017 14 Kommentare

Groucho,
du fehlst uns

Angelehnt an einen älteren Blog-Beitrag hier, Netzwerke der Abzocker, ist es nun mal wieder an der Zeit, ein Thema aufzugreifen, das in der Szene der Scharlatane, Betrüger und Schwurbler ein außerordentlich beliebter und einträglicher Dauerbrenner ist: der Markt der Nahrungsergänzungsmittel, speziell der Vitamine. Es existieren wenige Bereiche, in denen so viele Mythen unterwegs sind, die von unzähligen Akteuren aufrechterhalten und aus kommerziellen Gründen gepflegt werden.
Auf diesem von vornherein nicht durch Seriösität, Transparenz oder belegte Aussagen gekennzeichneten Markt der Vitalstoffe tummeln sich noch einige Black Mambas, die selbst dort auffallen. Wir wollen uns eine davon, die bisher unter dem Radar geflogen bzw. gekrochen ist, aber durchaus Potenzial zur Szene-Ikone hat, und auch ihren Arbeitgeber etwas näher ansehen.

Die Rede ist von Ulrich „the great white Hope“ Fricke, seines Zeichens selbsternannter und selbstgefeierter Experte und Apostel des Ordens der allheilenden Jungfrau der Vitamine, mit Ambitionen, den ach so maroden Gesundheitsmarkt aufzurollen. Medizinlaie Fricke, von dem keinerlei Qualifikationen oder irgendwelche Ausbildungen im Bereich der Medizin bekannt oder zu erkennen sind, ist offensichtlich wie die Jungfrau zum Kinde zu Erkenntnissen und Einsichten gekommen, die tausenden von Forschern und Institutionen verborgen geblieben sind. Offensichtlich wissen Fricke und seine Gefolgschaft Dinge, die so geheim sind, dass noch nicht einmal diejenigen davon wissen, von denen er behauptet, dass sie es wissen sollen können müssten dürften. Ein echter Wettbewerbsvorteil, der Mann ist ein Genie.

Sollten Sie jetzt, angesichts der ultimativen Verheißung des offenbar ewigen Lebens und der immerwährenden Gesundheit, den spontanen Drang verspüren, aufzuspringen und sofort ins Mekka der Vitalstoff-Erleuchtung aufzubrechen …(und das liegt nicht im fernen Osten, sondern bequem und beschaulich am Rhein), beherrschen Sie Ihre Begeisterung, dem Meister in spe zu huldigen, und achten Sie vor allem auf ihr Portemonnaie. Vielleicht ist es am Ende hilfreich, ein wenig zu verweilen. Mehr…

Evolution der Betrüger. Heute: „Dr.“ Leonard Coldwell

25. April 2017 11 Kommentare

Richard Dawkins beschreibt in seinem Klassiker “Das egoistische Gen”, wie in einer sozialen Gemeinschaft verschiedene Konzepte der Lebensbewältigung miteinander konkurrieren. Eines dieser Konzepte ist Lug und Betrug, der Gegenentwurf zu einem sozialen Miteinander, welches erstmal auf gegenseitigem Vertrauen beruht. Dieses Konzept funktioniert allerdings nur bis zu einem gewissen Anteil an Betrügern innerhalb einer Gemeinschaft. Wird er überschritten, zersetzt sich die Gemeinschaft, die Basis, jedem erst mal zu vertrauen verliert an praktischer Funktionalität. Dass einem der andere grundsätzlich über’s Ohr hauen will, wird zur Standardannahme und der Vorteil verpufft.

In Zeiten internationaler und anonymer Vernetzung ist die Hemmschwelle zu Lug und Betrug bei so manchen gesunken – was man sich innerhalb einer Dorfgemeinschaft unmöglich hätte leisten können, um nicht die gravierenden Nachteile sozialer Ächtung zu erfahren, ist bei Fremden, die weit weg sind, eher kein Problem mehr. Mehr…

10 tote Babies durch homöopathisches Zahnprodukt

21. Februar 2017 65 Kommentare

Man denkt ja, dass einen nichts mehr überraschen kann, aber es passiert doch immer wieder, dass man sich fragt: Wie, wie nur? Jedem, der sich auch nur minimal mit dem Thema und der wissenschaftlichen Beweislage auseinandergesetzt hat, weiß: Homöopathie ist völlig wirkungslos. Und dann liest man von 10 toten und 400 toten kranken Kindern durch homöopathische Mittelchen.

Gepaart mit einer offensichtlich außerordentlichen Berufung zur Inkompetenz, schafft man es offenbar sogar als Homöopathie-Hersteller, ein tatsächlich direkt tödliches Produkt abzufüllen. Meine Güte.

Die FDA (US-Behörde für Arzneimittelsicherheit) sah sich letztes Jahr gezwungen, insgesamt 400 Fälle von kranken und sogar 10 Fälle von verstorbenen Kleinkindern zu untersuchen. Verdächtigt wurde ein homöopathisches Produkt, welches das Zahnen erleichtern soll.

Bereits 2010 hatte die FDA eine Warnung vor dem Mittel herausgegeben, der Hersteller Hyland’s hätte also durchaus Motivation und Gelegenheit haben können, die Sicherheit der im Normalfall überteuerten Süßigkeiten sicherzustellen.

Im September 2016 warnte die FDA dann aufgrund der gehäuften Todes und Krankheitsfälle erneut vor den homöopathischen Tabletten und dem Gel, was aber Hyland’s nicht davon abhielt, das Zeug weiter an den Mann zu bringen. Auf ihrer Webseite schrieben sie groß:

There is no current recall of Hyland’s Baby Teething Tablets … Hyland’s Baby Teething Tablets have safely treated the pain associated with teething for more than 85 years. There is NO scientific link between homeopathically-prepared belladonna, or Hyland’s Baby Teething Tablets, and seizures.

Es gibt derzeit keinen Rückruf, immerhin verkaufen sie es schon seit 85 Jahren erfolgreich. Nun, wir glauben ihnen ja, dass es keinen wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen homöopathisch „korrekt“ präpariertem Was-auch-immer (inklusive Tollkirsche und Plutonium) und Krampfanfällen gibt. Homöopathische Mittel zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie keinerlei Wirkstoff mehr enthalten und daraus folgend gar nicht wirksam sein können. Daher kann ja gar nichts passieren. Ähnliches hat sich übrigens wohl auch der Homöopathika-Produzent Nelson gedacht, bis Glassplitter hinein gerieten.

Vor 2 Wochen bestätigte die FDA dann, dass tatsächlich erhöhte Mengen von Belladonna, der Schwarzen Tollkirsche, in Hyland’s Teething Gel gefunden wurden.

Hyland’s ist aber offenbar noch immer der Meinung, dass es keinen endgültigen Beweis gibt, dass ihre Tabletten Kinder krank machen und sogar umbringen. Man hat zwar zugegeben, es gäbe gewisse „Inkonsistenzen“ bei den in den Tabletten gefundenen Giftstoffen, aber diese lägen nicht im gefährlichen Bereich und ihre Produkte seien absolut sicher. Und die über 400 Fälle und zehn toten Kleinkinder sind sicher purer Zufall.

Inkonsistenzen also. Hmm. Nun, die FDA hat die Ergebnisse einer Stichprobe veröffentlicht. Die Mehrzahl war zwar harmlos, aber das Spektrum der Ergebnisse ist doch erschreckend. Die Bandbreite ging von 0 (das heißt, nicht nachweisbar) bis 1100 ng Atropin bei 8 geprüften Tabletten EINER Charge. Scopolamin schwankte von 0 bis 390 ng.

Bei einem pharmazeutischen Herstellungsprozess dürfen nur winzige Abweichungen bei den Wirkstoffen auftreten. Auf keinen Fall Unterschiede Faktor 1000. Hyland’s selbst gibt die Menge an Inhaltsstoffen mit „0.0000000000002 mg of Belladonna alkaloids“, d.h. mit 0,2 Millionstel Nanogramm an, was bedeutet, dass die gewünschte Menge Milliardenfach überschritten wurde.

Die Grenzwerte für Atropin liegen in der EU bei 1000 ng/kg (wir vermuten, in den USA sind sie ähnlich). Mit einer solchen Tablette hätte ein Kleinkind also bereits einen signifikanten Anteil der als sicher erachteten Tagesdosis zu sich genommen. Als vorgeschlagene Dosierung findet man 2-3 Tabletten vier mal am Tag. Damit überschreitet man den Grenzwert mit etwas Pech leicht, wenn man mehrere Tabletten mit überhöhter Menge erwischt. Dazu kommt, dass die Inhaltsmenge offenbar völlig zufällig ist, sie könnte bei einzelnen Tabletten noch wesentlich höher liegen.

Die FDA hat ja nur zwei Chargen untersucht und schon dabei enorme Unterschiede gemessen. Diese Messungen dürften also nur die Spitze des Eisbergs darstellen. In jedem Fall gehören solche Fabriken stillgelegt. Entweder sie stellen sicher, dass (messbar) keine Tollkirsche mehr in keinem einzigen ihrer überteuerten Fläschchen zu finden ist, oder sie werden dicht gemacht.

Und während Hyland’s sich dagegen wehrt, dass ihr Zeug (wie gesagt, abgesehen von kleineren „Inkonsistenzen“ absolut sicher! Ganz ehrlich!) von der FDA vom Markt genommen wurde, hat sich auch schon das „National Center for Homeopathy“, ein Dachverband für Homöopathie in den USA, vergleichbar mit dem Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte e.V., eingeschaltet und meint dazu:

„The homeopathic community is deeply concerned about the actions of both of these agencies and has formed a task force to identify the most strategic and appropriate collective course of action. We will share more information about how individuals in the homeopathic community can support this effort if and when it is determined that a broader community response is appropriate.“

Faszinierend, würde Mr. Spock sagen. Man ist besorgt über das Vorgehen der beiden Behörden (hier sind die FDA und die Handelsaufsicht FTC gemeint) und wird eine Task Force gründen, die das beste strategische und passende gemeinsame Vorgehen identifizieren wird. Wie darf man das verstehen? Man ist besorgt darüber, dass die US-Behörden so gemein sind und man wird sich dagegen wehren, oder wie? Nach hilfreicher Unterstützung der Untersuchung hört sich das jedenfalls nicht an.

Liebe Homöopathen. Bitte. Bitte. Bitte. Wenn ihr schon etwas verschütteln müsst, dann verschüttelt bitte Sternenlicht oder meinetwegen Entenleber wie Boiron. Aber lasst das mit den wirklich gefährlichen Sachen bleiben. Warum muss es gerade Tollkirsche beim Zahnen sein? Ist doch sogar nach der reinen Leere Schwachsinn.

Den Schmerz beim Zahnen verursachen Zähne. Zermahlt ein paar Zähne. Das schlimmste, was euch bei falscher Dosierung passieren kann: es könnte ein wenig knirschen, wenn man in die Tabletten beißt. Und wenn ihr Zähne von Enten nehmt, könnt ihr euch sogar die Ente mit Boiron teilen. Aber bitte keine giftigen Substanzen. Keine Tollkirschen. Kein Plutonium. Kein HIV. Und so Sachen wie Hundekot und faules Rindfleisch lasst bitte auch bleiben. Nehmt Vakuum. Zucker. Wasser. Nur absolut harmlose Dinge.

Seht es ein, Ihr seid nicht kompetent genug, mit gefährlichen Dingen zu hantieren. Zehn tote Kinder sind mehr als zu viel. Danke.

Die Unendliche Leere der Homöopathie

29. November 2016 160 Kommentare

Uns fällt gerade auf: wir haben ja wirklich schon ewig nichts mehr über Homöopathie geschrieben. Tatsächlich schon seit März. Eine Ewigkeit im anbrechenden Zeitalter der Generation Z, deren Aufmerksamkeitsspanne gegen 8 Sekunden konvergiert.

Homöopathische Darstellung der Homöopathie

Homöopathische Darstellung der Homöopathie

Die Wahrheit ist: Homöopathie ist ein 200 Jahre altes Ödnis, ein langer dunkler Fünfuhrtee der Sinnlosigkeit, der nicht mal dunkel ist, sondern nur klares Wasser enthält. Darüber zu reden, ist wie eine Diskussion, ob Stiere Milch geben können. Sie haben zwar keine Euter, aber der Homöopath der Wahl wird einem erklären, dass man nur lange genug schütteln – also – ähm – lassen wir das Beispiel doch lieber.

Homöopathie ist langweilig, weil es im Grunde um NICHTS geht. Gähnende Leere. Man schüttelt und schüttelt, damit nichts übrig bleibt. Dass sich Hahnemann vor mehr als 200 Jahren bei seinem Selbstversuch mit Chinarinde vertan, einen Irrtum begangen hat, wollen wir ihm ja nicht mal vorwerfen. Er hat damals sein Gedankengebäude eben auf einen Fehler, also NICHTS, gebaut. Es hätte ja trotzdem zufällig richtig sein können. Theoretisch jedenfalls. Mehr…

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