„Staatenbündler“ als Hochverräter: Schluss mit der Folklore!

Landesgericht Graz

Deutschland hat seine Reichsbürger, Österreich seine Staatenbündler. Was sie eint, ist die absurde Theorie, das Gemeinwesen, das für jeden sichtbar Staatsgewalt ausübt, sei kein Staat, sondern eine Handelsgesellschaft, sowie die Übersteigerung dieser Schnapsidee in einen Allmachtswahn, an dessen Ende Gewaltbereitschaft bis zum Totschlag steht. Höchste Zeit, dass der wehrhafte, demokratische Rechtsstaat nicht nur beschworen wird, sondern endlich zeigt, dass er auch anders kann, wenn es darauf ankommt. Das hat das Landesgericht in Graz in einem am 25. Januar 2019 verkündeten Urteil nunmehr getan: Die 42jährige Chefin des „Staatenbunds Österreich“ rückt für 14 Jahre (!) ein, und ein weiterer Mitangeklagter, pensionierter Polizist, atmet für 10 Jahre gesiebte Luft.

Der Strafausspruch erscheint enorm; das hat seinen Grund darin, dass das Landesgericht Graz in den selbsternannten Staatenbundlenkern keine verirrte Folkloretruppe sieht, sondern diese beim Wort genommen hat. Wer „Haftbefehle“ gegen Regierungsmitglieder verfasst und diese mit dem Ersuchen um Vollzug an das Bundesheer schickt, stiftet zu einer Tat an, die in § 242 des Österreichischen Strafgesetzbuchs so beschrieben wird:

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu ändern oder ein zur Republik Österreich gehörendes Gebiet abzutrennen, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen.

„Unternehmen“ heißt: Bei solchen Delikten stehen Versuch und Vollendung in strafrechtlicher Hinsicht gleich. Was im Falle des Hochverrats auch nur natürlich ist, denn im Falle einer erfolgreichen Vollendung der Tat wäre niemand mehr da, der diese bestrafen könnte.

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Die Bundesregierung und die wilde 13

Psiram ist grundsätzlich kein politisches Forum, auch wenn das eine oder andere Mal politische Fragen anstehen – zum Beispiel bei Höflichkeitsadressen städtischer Gesundheitsdezernenten an Schamanenkongresse oder parlamentarischen Anfragen zur Gefährdungslage durch Chemtrails. Im Grunde sind das kleine Ärgernisse des skeptischen Alltags. Mit ungläubigem Staunen haben wir neulich aber einen Ausschlag des Quackographen wegen eines Ereignisses registriert, dessen Epizentrum im Berliner Spreebogen lag: Die Bundesregierung fürchtet sich vor der Zahl 13, und das ist kein Witz, sondern eine Ausgeburt der Bürokratie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Es geht um den Entwurf eines Gesetzes zur Opferentschädigung, das unter dem Eindruck der Gefährdung durch Terrorakte geschaffen wurde und als Leistungsgesetz in den Rahmen des Sozialgesetzbuchs eingegliedert werden soll. Das „Sozialgesetzbuch“ (SGB) ist eigentlich kein in sich geschlossenes Gesetz, sondern eine Ansammlung von Gesetzen, welche die Verteilung von Sozialleistungen und ihre Begleitregelungen betreffen. Es geht in der Sache um die Arbeitslosenunterstützung (SGB II), die Arbeitsförderung (SGB III), die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), die gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), die gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), die Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII), die Rehabilitation Behinderter (SGB IX), die Pflegeversicherung (SBG XI) und die Sozialhilfe (SGB XII), ergänzt durch Gesetze über allgemeine Grundsätze und das Verwaltungsverfahren. Der aufsteigenden Nummernfolge entsprechend wäre die Opferentschädigung jetzt als Nummer XIII dran – wäre da nicht das böse Omen.
Bundesminister Hubertus Heil – ein Sozialdemokrat (!) – nimmt Rücksicht auf Empfindlichkeiten gegenüber der Unglückszahl und springt sogleich zur XIV. Hat man da noch Worte?

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Leitfaden für Skeptiker – Teil 3: Der Carpenter-Effekt

Definition: Als Carpenter-Effekt (oder ideomotorischer Effekt) wird das Phänomen bezeichnet, dass das Sehen einer bestimmten Bewegung sowie – in schwächerem Maße – das Denken an eine bestimmte Bewegung die Tendenz zur Ausführung ebendieser Bewegung auslöst.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten der Selbsttäuschung. Gelegentlich hilft sogar unser eigener Körper dabei. Bei der Verwendung von Wünschelruten zeigt sich dieser Effekt besonders deutlich. Ein solches Gerät kann aus zwei rechtwinklig gebogenen Metallstäben bestehen, die in beiden Händen vom Körper weg zeigend gehalten werden. Eine winzige Bewegung der Hand genügt, um dafür zu sorgen, dass die Stäbe sich durch Schwerpunktverlagerung zur Seite bewegen. Für den Wünschelrutengänger ist das ein klares Zeichen, die gesuchte Wasserader, eine stromführende Leitung oder ein Objekt gefunden zu haben.

Verantwortlich für die Bewegung der Stäbe ist natürlich nicht das Wasser, sondern die Erwartung des Wünschelrutengängers, an genau dieser Stelle etwas zu finden. Der Körper liefert die passende Bewegung dazu, ohne dass diese bewusst ausgeführt wird. Auch mit anderen Gegenständen wie einem Pendel oder einem sogenannten Ouija-Board lässt sich der Carpenter-Effekt nutzen.

Erstmals ausführlich beschrieben wurde das Phänomen im Jahre 1852 von William Benjamin Carpenter, einem englischen Physiologen und Naturwissenschaftler. Doch obwohl diese psychomotorische Funktion schon lange bekannt ist, halten sich Täuschungen und Selbsttäuschungen mit Wünschelruten und ähnlichen Apparaten bis heute hartnäckig.

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Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW 3, 2019)

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Von Zeit zu Zeit stellt sich die Frage, wozu wissenschaftsbasierte Aufklärung nützlich ist und wie sie aussehen soll. Schließlich kann sich doch jeder selbst informieren und sich eine eigene Meinung bilden. Warum soll man den Leuten denn sagen, was sie zu denken und zu glauben haben? Nun, Wissenschaft ist kein Dogma und keine Religion, sondern die beste Methode, sich ein möglichst realistisches Bild von der Beschaffenheit der Welt zu machen. Wir beobachten an vielen Stellen, welche Auswirkungen es hat, wenn vorsätzlich falsche Informationen verbreitet werden. Die Folge ist dann die Rückkehr eigentlich besiegter Krankheiten, der Aufstieg populistischer Herrscher, die Marginalisierung von Bevölkerungsgruppen und die Spaltung von Gesellschaften. Um friedlich und gesund miteinander leben zu können, ist eine gemeinsame Wissensbasis notwendig. Wir alle können eine Kleinigkeit dazu beitragen, etwa indem wir Informationen prüfen, bevor wir sie verbreiten, indem wir nachprüfbar falschen Behauptungen widersprechen und gesichertes Wissen weitergeben. Tommy Krappweis singt „Entdumm Dich“. Das ist grundsätzlich ein guter Rat, aber ohne fremde Hilfe wird das mit der Entdummung schwierig. Deshalb helfen wir gerne dabei, denn in Gesellschaft kluger Menschen lebt es sich besser. Wenn Ihr uns dabei unterstützen möchtet, schickt uns interessante Links, Artikelvorschläge und Verbesserungen oder diskutiert einfach in Forum und Blog miteinander.

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Leitfaden für Skeptiker – Teil 2: Pareidolie

Definition: Pareidolie bezeichnet das Phänomen, in Dingen und (auch zufälligen) Mustern vermeintliche Gesichter und vertraute Wesen oder Gegenstände zu erkennen.

Wenn wir als Kind lange in den Himmel schauten, um die vorbeiziehenden Wolken zu betrachten, erkannten wir plötzlich einen Hasen, einen Bären oder einen Zwerg mit einer riesigen Nase. Die Figuren veränderten sich, bildeten neue Formen und lösten sich schließlich auf. In zufälligen Objekten Gestalten zu sehen, konnte uns auch ängstigen, z.B. wenn wir den Schatten eines Blumentopfes im Halbdunkel für ein wildes Tier oder ein Monster hielten.

Als Erwachsene haben wir diese Fähigkeit immer noch; nun ist uns normalerweise aber bewusst, dass unser Gehirn bloß überagiert und die Gesichter und Gestalten nicht real sind. Auf einem Toastbrot das Gesicht von Jesus zu erkennen, ist keine Fehlfunktion, sondern ein Artefakt der raffinierten Mustererkennung unseres Wahrnehmungsapparats, die es uns ermöglicht, rasch ein informatives Bild von unserer Umgebung zu gewinnen.

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Heisenberg, der selbsternannte Wissenschaftsidiot

In unserem Forum diskutieren wir gerade mit einem hoffnungsvollen Erfinder eines Perpetuum mobile. Er zitiert als eine seiner Antriebsfedern Heisenberg: „Ich denke, dass es möglich ist, den Magnetismus als Energiequelle zu nutzen. Aber wir Wissenschaftsidioten schaffen es nicht. Das muss von Außenseitern kommen“ Dieses „Zitat“ ist so völlig daneben, dass es reizt, den Ursprung zu … Weiterlesen

Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW 2, 2019)

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Im ersten Wochenrückblick des Jahres 2019 kollidieren Wirklichkeit und Wunschdenken gleich an mehreren Stellen. Udo Endruscheit beschreibt ein Gerichtsurteil, bei dem die formelle Gesetzeslage über die Naturgesetze siegt. Natalie Grams erklärt, warum Pseudomedizin nicht wirksam wird, nur weil sie bei vielen Menschen besonders beliebt ist und bei Florian Aigner geht es um den Wunsch vieler Journalisten, die Wahrheit irgendwo in der Mitte zu suchen, auch, wenn die Faktenlage eindeutig ist. Wissenschaft und mit ihr die Suche nach der tatsächlichen Beschaffenheit der Welt wird zumehmend zu einem Argumentationsproblem. Populismus schreibt einfach die schöneren Geschichten und bedient die Sehnsucht nach einer Realität, die sich den persönlichen Wünschen unterwirft. Hat die Realität einmal die besseren Argumente, lässt sie sich immer noch mit einem Hamlet-Zitat niederringen. Warum das keine brauchbare Strategie ist, erklärt Onkel Michael in seinem Blog. Unsere selbstgewählte Aufgabe bleibt es auch in diesem Jahr, für den Realismus zu werben und das kritische Denken zu fördern. Dabei soll die neue Blog-Serie „Leitfaden für Skeptiker“ helfen und wöchentlich Denkanstöße liefern. Für eure Neujahrswünsche und Linktipps haben wir immer ein offenes Forum und freuen uns über Kommentare auf allen Kanälen.

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Leitfaden für Skeptiker – Teil 1: Der Dunning-Kruger-Effekt

Was stimmt und was stimmt nicht? Wie lassen sich richtige von falschen Nachrichten unterscheiden? Wie erkennt man zwielichtige Angebote im Gesundheitsbereich? Was sind die typischen Merkmale von Scharlatanerie-Produkten? Und wem soll man überhaupt glauben?

Die Antwort auf die letzte Frage ist einfach: Niemandem. Es ist nicht notwendig, etwas zu glauben, wenn man in der Lage ist, Informationen auf Plausibilität zu prüfen, sie mit wissenschaftlich gesichertem Wissen abzugleichen, gründlich zu recherchieren und Täuschungen zu erkennen. Wir möchten unseren Lesern gerne ein paar nützliche Werkzeuge an die Hand geben, die das kritische Denken trainieren, und beginnen deshalb heute unsere Serie „Leitfaden für Skeptiker“, inspiriert durch das 2018 erschienene Buch „The Skeptics‘ Guide to the Universe“.

Zum Einstieg beschäftigen wir uns mit dem

Dunning-Kruger-Effekt

Definition: Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt die Unfähigkeit, die eigene Kompetenz (auf einem bestimmten Gebiet) realistisch einzuschätzen, mit der häufigen Konsequenz, die eigenen Fähigkeiten oder Kenntnisse zu überschätzen.

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Die Philosophie von Mario Bunge – eine Lesereise

Gewiss scheint es so, dass man ebensoviel und (vielleicht) mehr seelische Stärke und Standhaftigkeit braucht, um die Furcht vor Gott und den Glauben an ihn zurückzuweisen und entschlossen von sich abzustreifen, als um treu und beständig an ihm festzuhalten. Pierre Charron (1541-1603) Zweitens ist der Materialismus nichts für schwache Gemüter Bunge/Mahner, Über die Natur der … Weiterlesen

Lesereise 1: Das Problem

Teil 1 unserer Serie zur Philosophie Bunges

Karl Popper schreibt 1982 an Hans Albert [2]:

Andererseits fürchte ich mich davor, einfachen gläubigen Menschen (ich meine nicht Theologen(!!)) ihren Glauben zu nehmen. Was wissen wir denn über diese Dinge? Nichts. Es ist richtig, dass es keine Auferstehung gibt. Aber es ist auch richtig, dass sich die Physik der Materie, sogar in den letzten 25 Jahren, grundlegend geändert hat: wir wissen nichts, sogar über die Materie, als dass sie ganz anders sein muss als zur Zeit Einsteins, Heisenbergs, Bohrs, Schrödingers. Und die Kosmologie steht auch vor Rätseln.

Selig sind, die da arm sind im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. Mit Verlaub: Hier scheint mir der große Philosoph doch ein wenig schief gewickelt. Er wird den „einfachen Leuten“ ihren Glauben ohnehin nicht so einfach nehmen können – gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens. Fürchten muss er sich; aber davor, dass sie ihm das Haus anzünden. Außerdem: Wer schlicht ist, der ist auch manipulierbar, und: Soll das so bleiben? Weil wir nichts über die Materie wissen? Und ist es deshalb geboten, den einfachen gläubigen Menschen ihren Glauben nicht zu nehmen? Die einfachen gläubigen Menschen könnten mit ihrem Glauben Recht haben (wenn auch nicht die intellektuellen Winkeladvokaten des Glaubens, die Theologen)?

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