Die Metaphysik des Krebsrisikos

Der Zuckerersatz Aspartam ist am 14. Juli 2023 von der IARC als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft worden, Klasse IIb. Diese Nachricht findet reichlich Widerhall in den Medien. Wir nehmen als Beispiel den Bayrischen Rundfunk. Dort kann man einen Podcast von knapp acht Minuten Dauer hören: Krebsrisiko durch Aspartam? Magazin vom 14.07.2023 br.de/radio/bayern2/sendungen/iq-wissenschaft-und-forschung/magazin Es gebe neue Belege: … Weiterlesen

„Fehlalarm“ – oder Falsches Zeugnis? Reiss/Bhakdi und die Wissenschaft

Die Biochemikerin Prof. Karina Reiss und ihr Gatte, der Mikrobiologe im Ruhestand Prof. Sucharit Bhakdi, machen mit ihrem Buch „Corona Fehlalarm“ Furore. Alles halb so wild, die Krankheit ist gar keine richtige Krankheit, der Lockdown ist völlig überzogen, und man weiß nicht, wer von ihm profitiert, sagen sie. In einer Forumsdiskussion bei uns kommt die folgende Passage vor:

Bhakdi und Reiss haben eine Grundthese. Sie folgen nicht der Evidenz, sondern sie arrangieren die Evidenz so, dass diese These gestützt wird. Die Grundthese ist, dass alles nur ein böser Traum ist, erfunden von [ __ ] (man setze ein, wen man will). Diese These ist absurd, genauso absurd wie die Simile-Regel der Homöopathen.

Darauf antwortet ein erleuchteter Durchblicker:

Wie erklärt sich das? Zwei zuvor angesehene und hoch dekorierte Professoren bekommen plötzlich „Hirnerweichung“? Das ergibt keinen Sinn usw. usf.

Noch abgesehen davon, dass solche Entwicklungen weder plötzlich noch gänzlich ungewöhnlich sind (s. Nobel-Krankheit), hat unser Bhakdi-Anhänger den Punkt verfehlt. Was ist der Punkt? Der Punkt ist natürlich: Reiss/Bhakdi lassen sich nicht von der Evidenz führen, sondern sie „führen“ die Evidenz. Was damit gemeint ist, wollen wir an einem Beispiel aus der jüngeren Medizingeschichte erläutern.

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COVID-19: die Hobby-Epidemiologen geben Entwarnung

Große Einschränkungen im sozialen Leben sind spürbar, und die Wirtschaft schlingert. Das muss doch auch anders gehen, sagt sich der Laie, und viele, die schon immer über alles Bescheid wussten, sind auch nun wieder um Lösungen nicht verlegen. Nehmen wir zum Beispiel diese Leuchte der Wissenschaft, den Herrn Professor Walach. Seine Erkenntnisse zur Corona-Pandemie teilt er der Welt unter dem Motto „keine Panik“ mit. Er erläutert zunächst einige Szenarien und schlussfolgert richtig: „Diese [d. h. die soziale Isolation] hilft nur, um den Ansturm auf die Intensivstationen zu bremsen, sonst nicht.“ Was das zu bedeuten hat, wollen wir uns im Folgenden etwas genauer anschauen.

Walachs Seelenruhe beruht auf einem Vergleich mit der Grippe:

Gemessen daran ist die Mortalitätsrate, die wir derzeit aus den weltweiten Zahlen der Corona-Virus-Infektion schätzen können mit 4% nicht höher, sondern eher niedriger.

Doch der Vergleich der Letalität (nicht: „Mortalität“, wie dieser frischgebackene Hobby-Epidemiologe sagt) zwischen Grippe und COVID-19 ist absurd. Gegen Grippe wird geimpft. Wenn ein Vergleich erlaubt ist, dann allenfalls mit der Spanischen Grippe im 1. Weltkrieg.

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Homöopathie. BEI SEPSIS???

Die stetig wachsende deutsche Skeptiker-Gemeinde, auch bekannt als „Skeptiker-Lobby“ oder „Skeptiker-Sekte“, guckt in diesen Tagen nach Bayern und reibt sich verblüfft die Augen. Auf Initiative der CSU und der Freien Wähler, mit Unterstützung der Grünen, wurde vorgestern im dortigen Landtag der Beschluss gefasst, eine wissenschaftliche Studie in Auftrag zu geben.

Zur Homöopathie. Als Mittel zur Reduktion der Antibiotika-Abgabe. Weil die Politik der Wissenschaft gefolgt ist und sich die Gefahr der Antibiotikaresistenz als politisch relevantes Thema zu eigen gemacht hat. Und jetzt wissen möchte, was man dagegen tun kann. Mit Alternativmedizin. Und speziell mit Homöopathie.

So als hätte es die Diskussion der letzten Jahre, die die nachgewiesene und immanente Wirkungslosigkeit der Homöopathie ins öffentliche Bewusstsein gebracht hat, nicht gegeben.

Das Ergebnis ist eine ungläubige und fassungslose Schockstarre unter den Skeptikern, die sich in den letzten Jahren am Diskurs beteiligt haben, freiwillig und unentgeltlich. Gerade weil wir immer wieder betonen, dass Big Pharma und Big Woo sich im Hinblick auf die Geschäftspraktiken nichts schenken und dass die Förderung der Gesundheitskompetenz der Patienten beide Probleme gleichermaßen angeht: Verringerung des Schadens durch nachgewiesen unwirksame Therapien, wie z.B. Homöopathie, und Sensibilisierung für die ebenfalls schädliche Überversorgung mit Antibiotika. Antibiotikaresistenz als Folge von unverantwortlichem Verordnungsverhalten, welches durch die Marketingstrategien der pharmazeutischen Hersteller befeuert wird, ist unbestritten ein Problem. Bereits seit Jahren warnen Wissenschaftler davor, dass wir etablierte Behandlungsoptionen wie Penicillin und Amoxicillin, die in der Vergangenheit Menschenleben gerettet haben und immer noch retten, mittelfristig verlieren könnten.

Was kann jetzt noch getan werden, wie sollten Skeptiker mit der Situation umgehen? Sollten sie auf die Ergebnisse der Studie warten, um dann im Rahmen des wissenschaftlichen Diskurses methodische Kritik zu üben? Hier ein Wort der Warnung: Auftragsforschung wird in der Regel nur als so genannte „graue Literatur“ veröffentlicht. Das heißt, der Auftraggeber erhält einen Bericht, den er dann z.B. ins Internet stellen kann. Vielleicht gibt es eine offizielle Ergebnispräsentation, z.B. im Gesundheitsausschuss des Landtages. Was es aber sicher nicht geben wird, ist eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Vorgehen, denn wenn die Studienautoren keine wissenschaftliche Veröffentlichung anstreben, wird es auch kein peer review geben, genauso wenig wie eine Ergebnispräsentation im Rahmen einer wissenschaftlichen Konferenz, bei der methodisch versierte Kollegen den notwendigen Input zu den Limitationen geben können.

Sollten skeptische Wissenschafler (mit anderen Worten: Wissenschaftler) die Studie deshalb boykottieren?

Ganz im Gegenteil!

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WHO: TCM ins ICD – Traditionelle Chinesische Heilkunde, die lichte Zukunft der Medizin?

Die Weltgesundheitsorganisation hat einen neuen Entwurf der elften Version ihres Klassifikationssystems für medizinische Diagnosen (ICD) vorgestellt, die im nächsten Jahr verabschiedet werden soll. Vorgesehen ist eine neue Abteilung für „traditionelle medizinische Störungen“ (damit ist chinesische, japanische und koreanische „Naturheilkunde“ gemeint). Systematische Bestrebungen, Quacksalberei auf diese Weise hoffähig zu machen, gibt es schon seit längerem. Wir hatten die Geschichte dieser Bemühungen bereits angerissen und mit wenig Erfolg versucht, den Begriffswirrwar zu durchdringen (hier), dessen Zweck darin besteht, grundsätzliche Unterschiede zwischen „traditioneller“ und „westlicher“ Medizin zu verschleiern.

Die „Integration“ der Glaubensmedizin in die wissenschaftlich begründete Medizin erfordert eine gewisse gedankliche Flexibilität, ein Denken, das eingetretene Pfade verlässt. Ben Kavoussi von Science Based Medicine hatte das schon vor einiger Zeit mittels eines Foucault entlehnten Borges-Zitats illustriert [1]:

Dieser Text zitiert „eine gewisse chinesische Enzyklopädie“, in der es heißt, daß „die Tiere sich wie folgt gruppieren: a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörige, i) die sich wie Tolle gebärden, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, 1) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen“.

Was bringt die WHO dazu, einen derartigen Bruch mit der Wissenschaft zu vollziehen? Die Generaldirektorin der WHO, Frau Dr. Margaret Chan, äußerte sich zu diesem Thema in einer Grundsatzrede anlässlich der „International Conference on the Modernization of Traditional Chinese Medicine“ am 23. Oktober 2016.

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Cannabis und Straßenverkehr

In diesem Beitrag soll auf ein recht spezielles Thema aufmerksam gemacht werden, und zwar auf die Auswirkungen, die die Verordnung von Cannabis zu medizinischen Zwecken mit sich bringen kann.

Beim legalen Genussmittel Alkohol gibt es mittlerweile rechtlich klare Regeln zum Schutz des Straßenverkehrs. So gibt es Promilleregelungen, die eine relative und eine absolute Fahruntüchtigkeit definieren, und es gibt auch anerkannte Erkenntnisse, die sich mit dem Abbau von Alkohol im Körper und der Dauer dieses Abbaues befassen.

Die Faustregel besagt, dass ein durchschnittlicher Mensch rund 0,1 Promille Alkohol im Blut pro Stunde abbauen kann, also bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,0 Promille nach zehn Stunden wieder nüchtern ist. Das erklärt, warum man den Restalkohol am Morgen nach einem größeren Alkoholgenuss als gefährlich ansehen muss. Zur Kontrolle gibt es für die Polizei mehrere Möglichkeiten, man kann die Atemalkoholkonzentration messen, und zwar bereits bei der Kontrolle auf der Straße, mit einem tragbaren Gerät, oder mit einem auf bestimmten Polizeidienstellen vorhandenen stationären Gerät, welches nach geltendem Recht bereits beweissicher messen kann. Dann kann die Blutalkoholkonzentration gemessen werden mit der klassisch durch einen Arzt durchgeführten Blutentnahme.

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Das Elend der Selbsthilfeorganisationen – ein Fallbeispiel

Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfevereine genießen weitverbreitet ein hohes gesellschaftliches Ansehen; auch wenn hier und da gelegentlich unangenehme Fragen auftauchen und die Effektivität der gewährten Hilfe durchaus in Frage stehen kann. Dass die Bedenken zuweilen nicht ganz unbegründet sind, liegt zu einem guten Teil an der Kritiklosigkeit, mit der solche Organisationen ihre Hilfsangebote zusammenklauben. Hier und da wäre ein fundierter fachlicher Rat besser als der schiere gute Wille. Kehrt sich dieses Verhältnis um, rollen die redlichen Ansätze geradewegs den roten Teppich aus für die Verbreitung pseudomedizinischer Heilsversprechen, über deren Validität sich erkennbar niemand dort ein fundiertes Urteil geschaffen hat. Ein Beispiel? Bitte sehr:

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Das Wahrheitsministerium hat gesprochen

Die Trump-Administration verbietet der obersten Gesundheitsbehörde der USA (Center for Disease Control and Prevention, CDC) die Verwendung einer Liste von sieben Begriffen. The forbidden words are “vulnerable,” “entitlement,” “diversity,” “transgender,” “fetus,” “evidence-based” and “science-based.” Washington Post vom 15. Dezember 2017 Anstelle von „wissenschaftsbasiert“ oder „evidenzbasiert“ soll die Phrase „Das CDC gründet seine Empfehlungen auf die … Weiterlesen

Verzweifelt gesucht: Argumente pro Heilpraktiker

Ende August veröffentlichte eine Gruppe von Wissenschaftlern, Medizinern und Journalisten das „Münsteraner Memorandum Heilpraktiker“ mit dem Ziel, die Politik zum Umdenken bei der Heilpraktiker-Zulassung zu bewegen (wir berichteten). Seitdem wird darüber viel diskutiert, gestritten, polemisiert, nicht selten mit heftigen persönlichen Angriffen.

Was ist da passiert? Ein kurzer Rückblick:

Zunächst wird im Memorandum der Status Quo des Heilpraktikergesetzes von 1939 erläutert:

Durch die staatliche Anerkennung von Heilpraktikern als „Heilkunde” Ausübende und durch die gesetzlich fixierte Berufsbezeichnung „Heilpraktiker” (vgl. Heilpraktikergesetz §1) wird Patienten suggeriert, es handle sich um staatlich geprüfte Heiler, die im Grunde äquivalent zu Ärzten ausgebildet seien und deren Kenntnisse sich zudem – anders als die vieler Ärzte – nicht auf ein oder zwei Fachgebiete beschränkten. Dies wäre jedoch ein klarer Fehlschluss: Medizinstudenten durchlaufen ein der Wissenschaftlichkeit verpflichtetes Studium, an dessen Ende eine staatliche Prüfung steht. Heilpraktiker haben demgegenüber nur eine einzige Prüfung zu bestehen, in der sie nachweisen müssen, dass sie sich bestimmter Grenzen ihres Kompetenzbereichs bewusst sind, etwa bei der Behandlung von Infektionskrankheiten. Darüber hinaus gibt es keine staatlich regulierte Ausbildung.

Weiterhin enthält das Memorandum eine kurze Beschreibung der Arzt-Ausbildung und stellt dieser die Voraussetzungen für den Erwerb der Heilpraktiker-Zulassung gegenüber.

Im weiteren Verlauf werden Bedenken geäußert, welche die Wahrnehmung und Stellung des Heilpraktikerwesens im Gesundheitssystem betreffen:

Gerade wegen der in Deutschland in nahezu allen Bereichen üblichen und erwartbar hohen Qualitätsstandards gehen Menschen hierzulande davon aus, dass solche Standards alle wichtigen Lebensbereiche regulieren – also auch die Gesundheitsversorgung durch Heilpraktiker. Umso größer ist die Gefährdung durch das unkontrollierte Feld des Heilpraktikerwesens.

Als Fazit werden zwei Lösungsvorschläge angeboten, um eine möglichst sichere Versorgung mit gesundheitsbezogenen Dienstleistungen zu erreichen: Einerseits die Streichung des Heilpraktiker-Berufes, alternativ eine Regulierung der Ausbildung und der Tätigkeitsbereiche, die den strengen Anforderungen in anderen Gesundheitsberufen entspricht.

Dass dieses Memorandum von vielen Heilpraktikern als persönlicher Angriff gewertet wird, ist nachvollziehbar, geht es doch in vielen Fällen um die Existenz, um den Verlust der Früchte jahrelanger harter Arbeit und nicht zuletzt um die Reputation als „so etwas ähnliches wie Arzt“.

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Der Münsteraner Kreis – Münsteraner Memorandum Heilpraktiker

Wir möchten an dieser Stelle auf eine sehr interessante und notwendige Aktion hinweisen, die Unterstützung verdient! Münsteraner Memorandum Heilpraktiker Im deutschen Gesundheitswesen existieren zwei Parallelwelten: die Welt der akademischen Medizin, und die Welt der Heilpraktiker. Während die akademische Medizin nach Evidenzbasierung und begründetem Fortschritt strebt, sind Heilpraktiker in der überwiegend unwissenschaftlichen Gedankenwelt der Komplementären und … Weiterlesen

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