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Keyword: ‘gentechnik’

Biotechnologie: Über die Sprache der Anti-Gentechnik-Demagogen

6. März 2013 59 Kommentare

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Wir bedanken uns beim Onlinemagazin NovoArgumente für die Erlaubnis zur Übernahme des Artikels.
Zu dessen Selbstverständnis geht es: hier.
Zum Inhaltsverzeichnis der aktuellen Printausgabe: hier

Woher kommt die Angst vor der grünen Gentechnik, fragt sich der Biologe Reinhard Szibor. An der Technologie kann es nicht liegen. Diese ist unbedenklich. Den Gentechnikgegnern ist es durch Desinformation und bewusste Sprachirreführung gelungen, den öffentlichen Diskurs zu dominieren.

Obwohl auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen angebaut werden, ist bisher kein einziger seriös recherchierter Fall dokumentiert worden, in dem ein Mensch durch gentechnisch erzeugte Produkte oder den Konsum von Gv-Pflanzen Schaden genommen hätte. Trotzdem wird der Genuss solcher Lebensmittel in Mitteleuropa von einer großen Mehrheit der Bevölkerung vehement abgelehnt. An EHEC sind erst kürzlich in Deutschland 3.844 Menschen erkrankt, 53 Patienten sind gestorben und viele sind so schwer geschädigt, dass sie nur noch als Dialysepatienten überleben können oder auf eine Nierentransplantation warten. Ausgelöst wurde die Katastrophe durch Sprossen, die in einem sogenannten Bio-Betrieb produziert wurden [1]. Mehr…

Der Kampf gegen die Grüne Gentechnik ist gewonnen

19. Januar 2012 23 Kommentare

Es muss für manche ein Tag zum Jubeln gewesen sein, als die BASF erklärt hat, ihre Aktivität im Bereich Pflanzenbiotechnologie in Deutschland zu beenden. Greenpeace, der Bund für Umwelt und Naturschutz und ein paar andere haben sicher die Sektkorken knallen lassen. Der Krieg ist gewonnen.

Der mächtige Held Ignoranz hat über die Vernunft gesiegt und sie in den Staub getreten. Dieser Sieg hat sich allerdings schon längst abgezeichnet. Bereits im letzten Sommer wurden Forschungsfelder unter Gewaltanwendung vernichtet, Behauptungen, dass hunderttausende Bauern wegen Gentechnik Selbstmord begangen haben wurden von NGOs verbreitet und von diversen Medien ohne Kritik übernommen, große Tageszeitungen und Fernsehsendungen haben dem bequemen Zeitgeist entsprechend gegen die Gentechnik mobil gemacht.

Die Grüne Gentechnik in Deutschland ist tot; dass BASF aufgibt und grünere Wiesen sucht, ist nur ein Symptom, das Ergebnis eines langen Prozesses. Damit wird auch die Forschung in dem Bereich in Deutschland zu Grabe getragen; diese Technologie ist in Deutschland gescheitert.

Aber nicht aus rationalen Gründen, weil sie nutzlos ist oder tatsächlich versagt hat, sondern weil die kritiklos verkündeten Schauergeschichten in die Hirne der Menschen eingedrungen sind. Die Gentechnik ist zuallererst eine Technologie und als solche nicht gut oder böse. Sie ist ein Werkzeug. Und sie ist nicht perfekt.

Sie zu verwerfen ist, als werfe man den Hammer weg, weil man ja auch mit dem Kopf Nägel in die Wand schlagen kann.

Das schlimme ist, dass die meisten Menschen, die die Gentechnik ablehnen, nicht das geringste darüber wissen. In einem Kommentar zu einem schönen Artikel bei Novo Argumente wird angeführt:

Sterile Pflanzen züchten,wo Bauer jedes Jahr neues Saatgut kaufen muss freut niemanden nur diese Mafia. Und das sie in die USA gehn spricht ja für sich. Da sind die grössten Schweinereien möglich.

Es fängt damit an, dass dem Autor dieser paar Zeilen wohl der Unterschied zwischen hybridem Saatgut und gentechnisch modifiziertem Saatgut nicht klar ist. Und falls er auf die sogenannte Terminator-Technologie anspielt, die gibt es nicht. Oh, technisch schon, aber es gibt kein solches Saatgut auf dem Markt. Und selbst, wenn es so wäre, hat die Technologie auch Vorteile. Von der FDA (Food & Drug Administration, USA) hat er wohl auch noch nie gehört, wenn er annimmt, dass in den USA die „grössten Schweinereien möglich“ sind.

Es ist offensichtlich einfach „modern“, dagegen zu sein, Fakten sind nicht gefragt. Die Unvernunft triumphiert in der Gentechnik-Frage, BASF kapituliert, die Gentechnik ist sowieso an allem schuld und Deutschland endlich eine gentechnisch befreite Zone.

Der Gentechnik-Kaiser hat keine Kleider – Die erste Seite

16. Dezember 2011 14 Kommentare

Wie schon berichtet macht ein Report namens „The GMO emperor has no clothes“ die Runde. Darin wird vom Versagen der Gentechnik auf der ganzen Linie gesprochen. Der Text beginnt mit einer Referenz auf das Märchen von Hans Christian Andersen, Monsanto wird mit dem Kaiser aus dem Märchen verglichen. Wir haben uns gedacht, wir schauen uns einfach mal den Report durch. Leider hat er 250 Seiten und ein echtes Review würde epische Ausmaße annehmen. Warum, wird klar, wenn wir die erste Seite durch haben.

Quelle: Gute Gene, Schlechte Gene auf der Basis von Zahlen der Food and Agriculture Organization of the United Nations.

Die erste echte Inhaltsseite dreht sich um den Ertrag und beginnt gleich mit der Behauptung, dass sich die Baumwollernte in Indien durch die Einführung der Gentechnik nicht um ein einziges Körnchen verbessert habe. Diese Behauptung hat sich „Gute Gene, Schlechte Gene“ in einem Artikel bereits angesehen.

Kurz zusammengefasst: Die Daten der UN zeigen ganz klar, dass der Ertrag sich seit dem Zeitpunkt der Einführung der gentechnisch modifizierten Baumwolle (2002/2003) grob gesagt verdoppelt hat (bei nur geringem Anstieg der bebauten Fläche). Indien, vor der Einführung noch Netto-Importeur, ist seit 2004 Nettoexporteur. Die Behauptung, speziell auch anhand von Baumwolle, ist somit leicht zu widerlegen.

Dann wird ein Fall in Mississippi 1997 zitiert, in dem tatsächlich etwas schief ging und das Ertrags-Versprechen von Monsanto nicht nur nicht eingehalten wurde, sondern etwa 20% der ausgesäten Pflanzen verformte Samenkapseln aufwiesen. Die betroffenen Bauern zogen vor Gericht und wurden entschädigt. Wir konnten leider die genauen Gründe nicht herausfinden, aber offenbar hat sich das Ereignis danach nicht mehr wiederholt.

Der Fall ist zwar an sich korrekt, nur beweist er gar nichts, vor allem da es sich um einen Fall vor 14 Jahren handelt. Man muss bedenken, heute sind 93% aller Baumwollpflanzen in den USA gentechnisch verändert. Klagen müssten an der Tagesordnung sein, wäre das der Normalfall.

Eine Studie zum Anbau von Baumwolle, die feststellte, dass man ähnlichen Ertrag bei transgenen und nicht modifizierten Pflanzen hatte, stellte auch fest:

Transgenic cotton had higher yield than nontransgenic cotton for any given number of insecticide applications. However, nontransgenic, Bt and BtHr cotton had similar yields overall, largely because higher insecticide use with nontransgenic cotton improved control of key pests.

(Quelle: Farm-scale evaluation of the impacts of transgenic cotton on biodiversity, pesticide use, and yield )

d.h. man kann also ohne BT Baumwolle die gleichen Erträge erzielen, man braucht nur mehr Pestizide.

Danach wird auf den Bericht „Failure to Yield“ verwiesen und behauptet, dass dieser nachweist, dass Gentechnik zu keinerlei Erhöhung der Produktion bei irgendeiner Feldfrucht geführt hat. Dieser hat allerdings nur Sojabohnen und Mais untersucht und kommt für diese beiden tatsächlich zum Schluss, dass keine Verbesserung des Ertrags erreicht wurde. Andere Vorteile oder Nachteile wurden ebenfalls nicht untersucht!

Im Report wird das gleich zu crop (also Feldfrucht) umgemünzt, und dann geht es gleich mit der Feldfrucht Raps weiter. Es wird impliziert, diese kommt ebenfalls in dem Bericht vor.

Studien aus Australien von 2001 und Zahlen von Bayer werden zitiert, es wird behauptet, der Ertrag von BT Raps sei nicht höher. Die zitierte Quelle merkt aber an, dass es bisher keine(!) unabhängigen Studien in Australien zum Thema gegeben habe und erklärt, dass sie die Zahlen von Monsanto bzw. der Homepage von Bayer haben. Man muss sich fragen, ob die „Report“-Autoren die Quelle überhaupt gelesen haben?

Das Spannende ist in dem Fall, was der Report gegenüber dem zitierten Bericht weglässt. Nämlich die Spritzmittel! Wir ergänzen gerne.
Unbehandelter Raps: 1144 Eingesetzte Spritzmittel: Trifluralin(bei uns seit 2008 verboten), OnDuty, Hasten, Lontrel
GM Raps: 1055 Eingesetzte Spritzmittel 2x Roundup
GM Raps: 977 Eingesetzte Spritzmittel 1x Roundup

Man kann also mit konventionellen Samen mehr Erträge erzielen, man braucht nur mehr Spritzmittel? Diese Zahlen sind natürlich, wie der ursprüngliche Text feststellt mit Vorsicht zu genießen, da sie von Monsanto stammen und nicht aus einer unabhängigen Quelle. Eine durchaus valide Kritik. Den Report interessiert das wenig, solange die Zahlen zum eigenen Vorteil genutzt werden können, werden sie zitiert.

Eine aktuelle Zusammenfassung des Studien/Wissensstandes kommt zu einer sehr guten Einschätzung von GM Raps.

Als Fazit unserer Recherchen lässt sich sagen, dass der Einsatz von Gentechnik bei einigen Pflanzen erhöhten Ertrag bringt (Baumwolle), bei anderen Pflanzen(Soja, Mais) eventuell nicht. Aber, man muss sich vor Augen halten, dass Ertrag für Landwirte nicht der dominierende Faktor ist. Interessant ist der Gewinn! Und da ist der Ertrag nur eine Komponente. Wenn man 4x spritzen muss für +20% Ertrag mag das weniger Gewinn bringen als 1x zu spritzen.

Ein wesentliches Problem der Ertragsdiskussion in dem Report ist, dass die Bauern einfach zu Idioten erklärt werden. Es wird gleichsam behauptet, die Bauern werden alle geknechtet und abgezockt. Das dem nicht so ist, sieht man schon an dem Fall in Mississippi. Als sie Ertragsverluste hatten, haben sie geklagt, Recht und damit Schadensersatz bekommen. Die Leute sind doch nicht blöd, sie sind genauso in der Lage zu rechnen, Vorteile und Nachteile abzuschätzen und den Gewinn zu optimieren. Es lassen sich Herbizide/Pestizide sparen oder der Ertrag erhöhen. Am Ende steht eine Zahl am Konto. In Indien gab es auch einen schwunghaften Schwarzhandel mit illegalen, nicht lizenzierten Baumwoll-Samen, der vom Staat geduldet wurde. Indische Bauern haben laut einer Studie einen Gewinn von 1 Milliarde Dollar durch gentechnisch veränderte Baumwolle pro Jahr.

Wie gesagt, das waren ein paar Gedanken zur ersten Seite des Berichts. Wir wollten damit eine Grundlage für weitere Bewertungen schaffen, die vielleicht jemand durchführen möchte und einen Einblick geben, wie der Bericht aufgebaut ist.

Die Welt: Gentechnik, 250.000 Selbstmordbauern und anderer Unsinn

13. Dezember 2011 20 Kommentare

Die Welt hat in einem kürzlich erschienenen Artikel mit dem schönen Titel „Studie bescheinigt grüner Gentechnik Totalversagen“ komplett unreflektiert die Märchen einer sogenannten Studie fröhlich abgedruckt. Besonders interessant dabei, dass sie es eigentlich besser wissen könnten, haben sie doch in eigenen Artikeln einige dieser Märchen selbst schon thematisiert.

Besonders sticht aus dem Artikel die alte Kamelle hervor, dass sich wegen der Gentechnik in den vergangenen zwölf Jahren nach offiziellen Statistiken allein 250.000 Bauern umgebracht hätten. Wow. Harte Fakten sozusagen! Die zugrunde liegende Studie spricht übrigens sogar von 15 Jahren (Seite 21).

Leider hat die Zahl einen winzigen Schönheitsfehler. Gentechnisch modifizierte Samen wurden erst 2002/2003(!) in Indien eingeführt, nicht bereits 1997. Zynische Bemerkungen liegen uns hier auf der Zunge, aber tatsächlich ist die Selbstmordrate indischer Bauern leider entsetzlich hoch.

Verzeihen wir diesen kleinen Fehler. Der Studienschreiber hat das sicher einfach nicht gewusst, nein, ganz sicher nicht, ganz sicher nicht (*hust* Studie, Seite 41 *hust*). Wichtig ist doch: stimmt die grundsätzliche Behauptung denn? Bringen sich tatsächlich viele Bauern wegen der Gentechnik um?
Nein.

Das Thema wurde schon im exzellenten Blog (Leseempfehlung, die Erste!) Gute Gene, Schlechte Gene besprochen. Die Welt (sic!) hat in einem früheren Artikel die Behauptung als Mythos entlarvt. Und dann gleich nochmal. Auch Novo Argumente (Leseempfehlung, die Zweite!) hat das Thema schon mal zerkaut (nebenbei auch die Autorin Vandana Shiva: „Dünne Männer, die sich in dürren Bäumen aufgehängt hatten, verendete Ziegen, denen Blut aus dem Maul tropfte, weil sie angeblich das Stroh von „Gen-Baumwolle“ gefressen hatten …“), wobei auch eine Studie des International Food Policy Research Institute zitiert wird, die die Behauptungen untersucht und als unsinnig beurteilt hat.

Sehr schlimm ist anscheinend auch, dass sich die Preise für Saatgut seit der Einführung von GMO Baumwolle verachzigfacht haben! Faktor 80! Hallo, klingelt es da nicht? Klingeln da nicht irgendwelche Realismusdetektoren?

Zurück von der Märchenwelt in die Realität: In der sind die Preise von 1600 Rupien (2003) auf 800 Rupien (2006) gefallen. Dieses Jahr wurden die Preise wieder um 180 Rupien erhöht. (1 Euro = 70 Rupien)

Das sich zwei Drittel des Weltsaatgutmarktes in den Händen von Monsanto befinden, ist wohl eher ein feuchter Traum (von Monsanto). In der Wirklichkeit müssen sie sich (als Platzhirsch) mit 23% zufrieden geben.

Nach all dem Schwachsinn ist da die Behauptung, dass Superunkräuter durch Gentechnik quasi „gezüchtet“ werden, ein dickerer Brocken. In dem Thema steckt ein Stück Wahrheit, gegen Glyphosat können Resistenzen gebildet werden. Aber Maßnahmen wie Herbizidwechsel negieren das Problem. Bei Raps gibt es das Problem in der Praxis z.B. überhaupt nicht.

Man möge uns verzeihen, wenn wir nicht noch mehr Details zerpflücken (ja, das geht tatsächlich!), aber das reicht doch wohl, oder?

Wir möchten der Welt zu diesem Meisterwerk ehrlich gratulieren, das muss Bild an Fehlerdichte erst mal nachmachen …

Gentechnik: Blut & Reis

14. November 2011 Keine Kommentare

Man kann zwar kein Blut aus Steinen, aber es scheint, dass man wohl Blut aus Reis pressen kann. Nun, zumindest ein wichtiges Blutprotein, genannt Albumin oder HSA1. Albumin ist ein wertvolles Protein, das bei Blutverlust, schweren Verbrennungen, Operationen und vielem mehr eingesetzt wird und es werden jährlich mehrere hundert Tonnen davon in Krankenhäusern benötigt. Weltweit wird an diversen Gewinnungsmöglichkeiten für das Problem geforscht, oft mit Hilfe der Gentechnik. Dass Albumin knapp wird, ist keine Seltenheit!

Die Methode zur Gewinnung aus Reis wurde von Wissenschaftlern an der Wuhan Universität in China und Kollegen vom National Research Council in Canada und dem Zentrum für Functional Genomics der University Albany, New York entwickelt. Es gelang ihnen gentechnisch modifiziertem Reis zu schaffen, der HSA1 produziert. Danach entwickelten sie eine Methode, das Protein vom Reis zu trennen und dabei 2,75g pro Kilo zu gewinnen – was zur Zeit die beste Quote ist, die man geschafft hat. Und kostengünstig genug für die Massenproduktion.

Das Protein muss natürlich noch ausgiebig getestet werden, bevor es „auf den Markt kommt“. Erste Tierversuche waren vielversprechend und ein Unterschied zu vom Menschen stammenden Protein konnte nicht festgestellt werden.

Bedeutsam ist, diese Reissorte verwischt die Grenzen zwischen medizinischer Anwendung und landwirtschaftlicher Anwendung besonders stark. Reis ist eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Welt und eine neue Sorte davon ist nun auch medizinisch interessant. Können wir uns zurücklehnen, die landwirtschaftliche Anwendung von Gentechnik verteufeln und die medizinische Umarmen? Ich denke nicht. Die Grenzen sind fließend.

Wir müssen ein Umfeld schaffen, in dem Forschung möglich ist, ein Umfeld, in dem gentechnisch modifizierte Produkte kein Teufelswerk, sondern ein Produkt wie jedes andere sind. Ein Produkt, das rational auf Sicherheit und Verträglichkeit getestet wird, ein Produkt, dass bei Erfolg genutzt wird. Gentechnik ist ein wundervolles Werkzeug, dass unser Leben verbessern kann. Vorsicht hat ihren Sinn und Platz. Irrationale Angst nicht.

Zum dem Thema Gentechnik und Landwirtschaft sei noch dieser schöne Artikel in der Zeit empfohlen:

Landwirtschaft – Verwirrspiel auf dem Acker

Und natürlich unsere beiden Interviews mit Professor Wolfgang Nellen:

Der Zug für Grüne Gentechnik ist in Deutschland abgefahren

Horizontaler Gentransfer: Erklären wir die Friedhöfe zum Sperrgebiet!

 

Der Zug für Grüne Gentechnik ist in Deutschland abgefahren

26. Oktober 2011 12 Kommentare

Wolfgang NellenProfessor Wolfgang Nellen vom „Department of Genetics“ der Universität Kassel war vor kurzem bereit uns ein paar Fragen zum breiten Thema Gentechnik und der diesbezüglichen Situation in Deutschland zu beantworten. Prof. Nellen hat den Lehrstuhl für Genetik bereits seit 1995 inne, betreibt Grundlagenforschung und hat eine lange Liste von Publikationen veröffentlicht. Da die Antworten sehr umfangreich ausgefallen sind, werden wir den Text in 2 Teilen veröffentlichen.

 

 

Herr Professor Nellen, können Sie uns kurz erklären, womit Sie sich beruflich beschäftigen, woran Sie hauptsächlich arbeiten?

Ich bin Molekulargenetiker und meine Abteilung arbeitet an Mechanismen der Epigenetik. Wir benutzen den Modellorganismus Dictyostelium (eine einzellige Amöbe) um zu verstehen, wie die genetische Information z.B. durch die Verpackung der DNA in der Zelle beeinflusst wird. Dabei ergeben sich interessante, vermutlich generell gültige Erkenntnisse, wie z.B. die Umwelt Einfluss auf die Nutzung der genetischen Information nimmt und wie sich Zellen gegen molekulare Parasiten (z.B. Viren) wehren. Das ist reine Grundlagenforschung, die zum grundsätzlichen Verständnis, wie Leben funktioniert, beiträgt.

Inwieweit unterscheiden sich Züchtungen von Genmanipulierten Pflanzen? Oder anders gefragt: Ist Genmanipulation nur gezielte Züchtung?

Zunächst eine Korrektur: der Ausdruck „Genmanipulation“ wurde von Interessengruppen geprägt. Lassen Sie Ihr Auto manipulieren, wenn Sie in der Werkstatt die Zündung einstellen lassen? Gehen Sie zum Zahnmanipulator, wenn Sie sich ein Implantat machen lassen? Der negative Beigeschmack scheint beabsichtigt zu sein.
Gentechnische Veränderungen sind keine gezielte Züchtung. Durch die universelle Gültigkeit des genetischen Codes ist es möglich, Gene aus anderen Organismen in ein Genom einzusetzen. Das geht nicht durch Züchtung. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Bt Mais, der ein Gen des Bakteriums Bacillus thuringiensis enthält.
Man kann aber auch z.B. Gene in einem Organismus ausschalten, um unerwünschte Eigenschaften loszuwerden. Ein wenig bekanntes, aber eindrucksvolles Beispiel ist eine Sonnenblume mit deutlich erhöhtem Anteil an ungesättigten Fettsäuren. Dabei wurde gezielt ein Gen ausgeschaltet, das normalerweise zur Sättigung der Fettsäuren führt. Dieser Effekt wurde auch durch Züchtung mit vorgeschalteter Mutagenese erzielt – also ohne Gentechnik. Mutagenese bedeutet, dass durch erbgutschädigende Substanzen (radioaktive Bestrahlung, krebserzeugende Gifte) ungerichtet Veränderungen erzeugt werden. Die Behandlung erfolgt so, dass mindestens 90% der Organismen (hier Sonnenblume) durch massive Erbgutänderungen sterben. Unter den Überlebenden wird nach solchen Veränderungen gesucht, die man sich wünscht – und die man oft auch findet. Ein Problem dabei ist, dass es durchschnittlich ca. 20 weitere Mutationen in einem solchen Organismus gibt. Von denen hat man keine Ahnung wo sie sind und was sie bewirken. Durch umfangreiche Rückkreuzungen mit dem Ausgangsstamm versucht man diese Mutationen auszukreuzen – ganz sicher kann man dabei aber nie sein.
In diesem Fall entspricht die gentechnische Veränderung im Ergebnis einer Züchtung – Gentechnik hat dabei jedoch den Vorteil, dass andere, unbekannte Mutationen wesentlich unwahrscheinlicher sind.

Ist es gesundheitsschädlich „Genetisch Modifizierte Organismen(GMO)“ zu essen? Gibt es irgendwelche Hinweise dafür/dagegen?

Kleine Korrektur: „genetisch modifiziert“ sind wir alle denn wir unterscheiden uns in unseren Genen. Diese genetische Varianz ist durch natürlich auftretende Mutationen entstanden. Sie meinen „gentechnisch modifizierte Organismen“, d.h. eine gezielte, technische Modifikation der DNA.
Schädigungen der Gesundheit sind bei zum Verzehr zugelassenen GMOs nicht bekannt. Es gibt immer wieder Berichte über Rinder, die an „Genmais“ gestorben oder erkrankt sind. Ein ursächlicher Zusammenhang ist aber nicht gegeben. Das wäre auch erstaunlich denn in USA werden Rinder fast ausschließlich mit GV Mais gefüttert. Es hätte auffallen müssen, wenn die alle sterben.

Gibt es Gefahren/Risiken bei der Verwendung von Tiergenen in Pflanzen und wenn ja welche?

Wenn Gene zwischen sehr verschiedenen Arten ausgetauscht werden, muss sorgfältig darauf geachtet werden, wie sie in das „genetische Umfeld“, z.B. den Stoffwechsel des Empfängers eingreifen und welche Effekte sie dort haben. Ein Allergen aus einer Nuss in eine Sojabohne zu setzen ist keine gute Idee. Ein für den Menschen tödliches Toxingen aus einer Schlange in die Kartoffel zu setzen, ist mit größter Wahrscheinlichkeit gesundheitsschädlich. Ein Gen für Frostresistenz aus einem Fisch in eine Erdbeere zu setzen kann einen Vorteil haben. Es müssen umfangreiche Untersuchungen durchgeführt werden, wie das Genprodukt sich in der Erdbeere verhält und ob es sich auf andere Eigenschaften der Erdbeere auswirkt – und ob diese Auswirkungen schädlich für den Verbraucher sind. Ein Handicap seriöser Wissenschaftler ist, dass sie niemals niemals sagen sollten. Negative Effekte können nie zu 100% ausgeschlossen werden. Nach einer ordentlichen Analyse halte ich die Risiken jedoch für geringer als bei der oben genannten „natürlichen“ Sonnenblume, die noch eine unbekannte Zahl an Mutationen unbekannter Wirkung enthält und die weitgehend ungeprüft als „Naturprodukt“, möglicherweise mit Biosiegel, vermarktet werden kann.

Führt an der Gentechnik überhaupt ein Weg vorbei?

Langfristig wohl kaum. Züchtung hat lange zu gewaltigen Ertragssteigerungen geführt. „Natürlich“ sind unsere Lebensmittelpflanzen seit fast 10.000 Jahren nicht mehr. Jetzt scheinen aber die Grenzen der konventionellen Züchtung erreicht zu sein. Gentechnisch ist es möglich, Pflanzen an die Eigenarten der Standorte anzupassen (Trockenresistenz, Salzresistenz usw.) um z.B. auch den Folgen des Klimawandels zu begegnen. Der Wettlauf mit Schädlingen wird schwieriger und Ernteverluste müssen eingedämmt werden. Teilweise könnte man diese Ziele vielleicht auch durch Kreuzung erreichen, aber gewiss nicht alle und es würde viel länger dauern.

Sie sind ja auch am Science Bridge(http://www.sciencebridge.net/) Projekt beteiligt, worum geht es dabei?

Science Bridge ist eine unabhängige „non-profit“ Organisation (gemeinnütziger Verein). Unabhängig bedeutet, dass wir von keinen Sponsoren aus der Wirtschaft abhängig sind und uns ausschließlich aus (moderaten) Kursgebühren und Mitgliedsbeiträgen finanzieren. Wir liefern in erster Linie Schulen Experimente zu Molekularbiologie und Gentechnik – zunächst also reine Wissensvermittlung und Experimentiererfahrung. Dabei versuchen wir möglichst wertfrei Information zur Gentechnik zu geben.
Weiterhin informieren wir in öffentlichen Veranstaltungen zur Gentechnik. Information ist jedoch eine Sache, sie alleine kann die Resistenz gegen Argumente (bedingt durch sehr erfolgreiche PR Aktionen verschiedener NGOs) nicht beheben. Wir versuchen deshalb, eigene Erfahrungen durch Laborkurse für interessierte Bürger zu vermitteln und danach zu diskutieren. Die Ergebnisse sind interessant: obwohl wir nicht versucht haben, Pfarrer, Journalisten oder auch Greenpeace-Gruppen zu „hirnmanipulieren“ gingen sie meistens sehr nachdenklich aus den Kursen nach Hause und alle meinten, dass sie die Sache jetzt etwas differenzierter sehen (ohne gleich zu flammenden Gentechnikbefürwortern zu werden!).

Welche Internetseiten können Sie empfehlen um sich zum Thema „Grüne Gentechnik“ zu informieren?
Wenn es bei der theoretischen Auseinandersetzung mit der Thematik bleibt, empfehle ich die XING Gruppe „Grüne Gentechnologie“ und die Infoseite von Transgen. Etwas Informationsmaterial haben wir auch auf der Science Bridge Seite unter Informationsmaterial Grüne Gentechnik. Ich hatte übrigens NABU und Greenpeace angeboten, dort auch ihre Sicht der Dinge einzustellen – wollten sie aber nicht.

Zur Fortsetzung:
Horizontaler Gentransfer: Erklären wir die Friedhöfe zum Sperrgebiet!

„Man hat das Thema Gentechnik bereits geschickt tabuisiert.“ Ein Interview mit Prof. Beda Stadler

29. September 2011 27 Kommentare

Prof. Dr. Beda M. Stadler arbeitet und forscht am Universitätsinstitut für Immunologie in Bern. Er ist der Öffentlichkeit aus vielen Diskussionsrunden im TV und Kolumnen in der Presse bekannt. Er war so nett, uns ein Interview zu geben.
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Bullshit-Bingo: Gentechnik

27. Oktober 2010 85 Kommentare

Passend zur laufenden Petition und der dazugehörigen Diskussion im Bundestagsforum ein neues Bullshit-Bingo.

KategorienSatire Tags: ,

Markus Söder, Gentechnik und die Schöpfung

27. August 2010 34 Kommentare

Überschätzte Gefahr: horizontaler Gentransfer bei Eukaryoten

Von der niederbayerischen Bäuerin* geht das etwas böse und skurrile Vorurteil, sie glaube noch an Dämonen. Dass sich der Dämonenglaube – in anderer Form und mit einem anderen Dämon – hartnäckig in Bayern hält, ist eine andere Ansicht.

Dämonen glaubt man dann am Werke, wenn man so gar nicht weiß, warum etwas passiert, oder wenn man Dinge, die passieren, so gar nicht im Griff zu haben meint. Auch Technik kann dämonisiert werden, vor allem wenn man sie nicht einschätzen kann oder ihre Wirkungen nicht direkt sehen. Eine solche Technik ist die Gentechnik. Nicht nur die niederbayerische Bäuerin weiß damit nichts anzufangen, sondern offenkundig auch der bayerische Umwelt- und Gesundheitsminister Markus Söder. Von Haus aus Jurist, wähnt der Herr Söder in der Gentechnik wohl eine solch dämonische Macht und im ausübenden Wissenschaftler den kleinen Bruder des Antichristen.
Söder äußert sich auf Abgeordnetenwatch wie folgt:

der grünen Gentechnik stehe ich skeptisch gegenüber. Die ökologischen Auswirkungen sind ungeklärt. Die Bewahrung der Schöpfung ist ein zentrales Gut.

So macht dann auch der jüngste juristische Vorstoß Bayerns Sinn:

„Bayern plant gesetzliches Verbot der Gentechnik“
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Hogwarts ist überall, auch am Rhein

2. Januar 2022 Keine Kommentare

Hört man dieser Tage den Namen Mainz, so denkt man bei der Stadt wahrscheinlich (auch) an die Firma Biontech und deren Impfstoff gegen die Corona-Infektion. Zählt man sich nicht zu den Impfgegnern und ist wissenschaftlich interessiert, wird man evtl. auch die wissenschaftliche, technische und organisatorische Leistung bewundern, die einen so neuartigen und sensationell wirksamen Impfstoff auf der Basis von mRNA ermöglicht hat. Ja, es ist eine Meisterleistung der Wissenschaft, an dem sehr viele Menschen über lange Zeit gearbeitet haben – zum Wohle der Menschheit. Echte Wissenschaft bringt einen Nutzen, auch wenn dies nicht das primäre Ziel wissenschaftlicher Forschung sein muss. Das funktioniert aber nur, wenn man sich wirklich an die wissenschaftlichen Standards hält und nicht nur so tut. Wie an vielen anderen Orten auch, ist das in Mainz aber – selbst an der dortigen Universität – nicht unbedingt gängige Praxis. Wir zeigen ein paar Beispiele.

Wer die Szene der Corona-Leugner ein wenig beobachtet hat, der wird mit dem Namen Mainz evtl. auch eine anderen Namen verbinden: einen der Kronzeugen der Szene, der aufgrund scheinbarer wissenschaftlichen Expertise einen hohen Stellenwert in der Querdenker-Bewegung hat: Sucharit Bhakdi, ein ehemaliger Professor an der dortigen Universität. Gut, er ist dort länger schon nicht mehr aktiv und lebt auch nicht mehr dort, verweist aber immer noch auf seine damalige Position. Apropos Uni Mainz: ein anderes Schwergewicht in der kritischen Auseinandersetzung – jetzt im positiven Sinne – ist eine dort noch forschende Person: Pia Lamberty, die viel über die Verschwörungsmechanismen der Querdenker aufgeklärt hat.

Um kurz weg von dem in Skeptikerkreisen momentan vorherrschenden Thema „Corona“ und den damit verbundenen Verschwörungserzählungen zu kommen (um dann wieder darauf zu kommen), noch ein anderer Begriff, der mit der Uni Mainz verbunden ist: der Urzeit-Code (kurz: es sollte – ganz ohne Gentechnik – möglich sein, landwirtschaftliche Erträge ohne anderen Mehraufwand [chemische Mittel etc.] zu verbessern). Das ist ein pseudowissenschaftlicher Unsinn, der vor Jahrzehnten schon in den Medien für Aufsehen sorgte, sollte er doch einen Beitrag zum Wohle der Menschheit leisten. Tat er nicht, da er eben keine (echte) wissenschaftliche Leitung war. Mehr…

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