Ein Artikel des Schweizer Journalisten Stefan Schaer, den wir mit freundlicher Genehmigung des Autoren übernehmen durften. Er wurde bereits hier auf seinem Blog veröffentlicht. Er beschreibt sehr gut, wie unkritisch oft auch seriöse Medien (leider wieder mal) mit medizinischen Themen umgehen. Bei EsoWatch gibt es auch Hintergrundinformation zum Thema Ritalinkritik.
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Thesen-Journalismus macht seit Jahren Schule. Auch bei sogenannten Leitmedien neigen viele (nicht alle!) Schreibenden dazu, anstelle einer breit abgestützten Recherche die eigene Meinung (oder die Meinung der Zeitung) ins Blatt zu stellen. Was ins Bild passt, wird unkritisch ausgebreitet, was nicht passt, wird kurzerhand todgeschwiegen.
Einen exemplarischen Text hat am vergangenen Montag die «Frankfurter Allgemeine», die NZZ Deutschlands, publiziert. Christiane Hoffmann und Antje Schmelcher liefern mit «Wo die wilden Kerle wohnten» einen einseitigen, moralisierenden und in vielen Teilen schlicht falschen Rundumschlag gegen das Medikament Ritalin, das bei Kindern mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom) eingesetzt wird.
Mit der Aussage «90 Prozent der ADHS-Diagnosen sind falsch» legt der Artikel gleich zu Beginn den Ton fest. Sicherlich, Ritalin wird manchmal zu schnell verschrieben. Aber von 90 Prozent auszugehen, ist eine Behauptung, für welche die Autorinnen keine brauchbare Quelle – zum Beispiel wissenschaftliche Studien – präsentieren. Sie stützen sich einzig auf die Aussage der Direktorin einer Kinderklinik – das muss für FAZ-Journalistinnen offenbar reichen.
Der «Richtigkeitsgehalt» des restlichen Textes bewegt sich auf ähnlichem Niveau: Plattitüden, Behauptungen und Lügen folgen einander Abschnitt für Abschnitt. Die Autorinnen gehen davon aus, dass ADHS anerzogen ist. Medizinische, angeborene Ursachen schliessen sie von vornherein aus. Was umso erstaunlicher ist, als die Wissenschaft derzeit in die gegenteilige Richtung tendiert. Bei Wikipedia lesen wir:
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