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Artikel Tagged ‘Wissenschaft’

Gentechnik: Blut & Reis

14. November 2011 Keine Kommentare

Man kann zwar kein Blut aus Steinen, aber es scheint, dass man wohl Blut aus Reis pressen kann. Nun, zumindest ein wichtiges Blutprotein, genannt Albumin oder HSA1. Albumin ist ein wertvolles Protein, das bei Blutverlust, schweren Verbrennungen, Operationen und vielem mehr eingesetzt wird und es werden jährlich mehrere hundert Tonnen davon in Krankenhäusern benötigt. Weltweit wird an diversen Gewinnungsmöglichkeiten für das Problem geforscht, oft mit Hilfe der Gentechnik. Dass Albumin knapp wird, ist keine Seltenheit!

Die Methode zur Gewinnung aus Reis wurde von Wissenschaftlern an der Wuhan Universität in China und Kollegen vom National Research Council in Canada und dem Zentrum für Functional Genomics der University Albany, New York entwickelt. Es gelang ihnen gentechnisch modifiziertem Reis zu schaffen, der HSA1 produziert. Danach entwickelten sie eine Methode, das Protein vom Reis zu trennen und dabei 2,75g pro Kilo zu gewinnen – was zur Zeit die beste Quote ist, die man geschafft hat. Und kostengünstig genug für die Massenproduktion.

Das Protein muss natürlich noch ausgiebig getestet werden, bevor es „auf den Markt kommt“. Erste Tierversuche waren vielversprechend und ein Unterschied zu vom Menschen stammenden Protein konnte nicht festgestellt werden.

Bedeutsam ist, diese Reissorte verwischt die Grenzen zwischen medizinischer Anwendung und landwirtschaftlicher Anwendung besonders stark. Reis ist eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Welt und eine neue Sorte davon ist nun auch medizinisch interessant. Können wir uns zurücklehnen, die landwirtschaftliche Anwendung von Gentechnik verteufeln und die medizinische Umarmen? Ich denke nicht. Die Grenzen sind fließend.

Wir müssen ein Umfeld schaffen, in dem Forschung möglich ist, ein Umfeld, in dem gentechnisch modifizierte Produkte kein Teufelswerk, sondern ein Produkt wie jedes andere sind. Ein Produkt, das rational auf Sicherheit und Verträglichkeit getestet wird, ein Produkt, dass bei Erfolg genutzt wird. Gentechnik ist ein wundervolles Werkzeug, dass unser Leben verbessern kann. Vorsicht hat ihren Sinn und Platz. Irrationale Angst nicht.

Zum dem Thema Gentechnik und Landwirtschaft sei noch dieser schöne Artikel in der Zeit empfohlen:

Landwirtschaft – Verwirrspiel auf dem Acker

Und natürlich unsere beiden Interviews mit Professor Wolfgang Nellen:

Der Zug für Grüne Gentechnik ist in Deutschland abgefahren

Horizontaler Gentransfer: Erklären wir die Friedhöfe zum Sperrgebiet!

 

Der Zug für Grüne Gentechnik ist in Deutschland abgefahren

26. Oktober 2011 12 Kommentare

Wolfgang NellenProfessor Wolfgang Nellen vom „Department of Genetics“ der Universität Kassel war vor kurzem bereit uns ein paar Fragen zum breiten Thema Gentechnik und der diesbezüglichen Situation in Deutschland zu beantworten. Prof. Nellen hat den Lehrstuhl für Genetik bereits seit 1995 inne, betreibt Grundlagenforschung und hat eine lange Liste von Publikationen veröffentlicht. Da die Antworten sehr umfangreich ausgefallen sind, werden wir den Text in 2 Teilen veröffentlichen.

 

 

Herr Professor Nellen, können Sie uns kurz erklären, womit Sie sich beruflich beschäftigen, woran Sie hauptsächlich arbeiten?

Ich bin Molekulargenetiker und meine Abteilung arbeitet an Mechanismen der Epigenetik. Wir benutzen den Modellorganismus Dictyostelium (eine einzellige Amöbe) um zu verstehen, wie die genetische Information z.B. durch die Verpackung der DNA in der Zelle beeinflusst wird. Dabei ergeben sich interessante, vermutlich generell gültige Erkenntnisse, wie z.B. die Umwelt Einfluss auf die Nutzung der genetischen Information nimmt und wie sich Zellen gegen molekulare Parasiten (z.B. Viren) wehren. Das ist reine Grundlagenforschung, die zum grundsätzlichen Verständnis, wie Leben funktioniert, beiträgt.

Inwieweit unterscheiden sich Züchtungen von Genmanipulierten Pflanzen? Oder anders gefragt: Ist Genmanipulation nur gezielte Züchtung?

Zunächst eine Korrektur: der Ausdruck „Genmanipulation“ wurde von Interessengruppen geprägt. Lassen Sie Ihr Auto manipulieren, wenn Sie in der Werkstatt die Zündung einstellen lassen? Gehen Sie zum Zahnmanipulator, wenn Sie sich ein Implantat machen lassen? Der negative Beigeschmack scheint beabsichtigt zu sein.
Gentechnische Veränderungen sind keine gezielte Züchtung. Durch die universelle Gültigkeit des genetischen Codes ist es möglich, Gene aus anderen Organismen in ein Genom einzusetzen. Das geht nicht durch Züchtung. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Bt Mais, der ein Gen des Bakteriums Bacillus thuringiensis enthält.
Man kann aber auch z.B. Gene in einem Organismus ausschalten, um unerwünschte Eigenschaften loszuwerden. Ein wenig bekanntes, aber eindrucksvolles Beispiel ist eine Sonnenblume mit deutlich erhöhtem Anteil an ungesättigten Fettsäuren. Dabei wurde gezielt ein Gen ausgeschaltet, das normalerweise zur Sättigung der Fettsäuren führt. Dieser Effekt wurde auch durch Züchtung mit vorgeschalteter Mutagenese erzielt – also ohne Gentechnik. Mutagenese bedeutet, dass durch erbgutschädigende Substanzen (radioaktive Bestrahlung, krebserzeugende Gifte) ungerichtet Veränderungen erzeugt werden. Die Behandlung erfolgt so, dass mindestens 90% der Organismen (hier Sonnenblume) durch massive Erbgutänderungen sterben. Unter den Überlebenden wird nach solchen Veränderungen gesucht, die man sich wünscht – und die man oft auch findet. Ein Problem dabei ist, dass es durchschnittlich ca. 20 weitere Mutationen in einem solchen Organismus gibt. Von denen hat man keine Ahnung wo sie sind und was sie bewirken. Durch umfangreiche Rückkreuzungen mit dem Ausgangsstamm versucht man diese Mutationen auszukreuzen – ganz sicher kann man dabei aber nie sein.
In diesem Fall entspricht die gentechnische Veränderung im Ergebnis einer Züchtung – Gentechnik hat dabei jedoch den Vorteil, dass andere, unbekannte Mutationen wesentlich unwahrscheinlicher sind.

Ist es gesundheitsschädlich „Genetisch Modifizierte Organismen(GMO)“ zu essen? Gibt es irgendwelche Hinweise dafür/dagegen?

Kleine Korrektur: „genetisch modifiziert“ sind wir alle denn wir unterscheiden uns in unseren Genen. Diese genetische Varianz ist durch natürlich auftretende Mutationen entstanden. Sie meinen „gentechnisch modifizierte Organismen“, d.h. eine gezielte, technische Modifikation der DNA.
Schädigungen der Gesundheit sind bei zum Verzehr zugelassenen GMOs nicht bekannt. Es gibt immer wieder Berichte über Rinder, die an „Genmais“ gestorben oder erkrankt sind. Ein ursächlicher Zusammenhang ist aber nicht gegeben. Das wäre auch erstaunlich denn in USA werden Rinder fast ausschließlich mit GV Mais gefüttert. Es hätte auffallen müssen, wenn die alle sterben.

Gibt es Gefahren/Risiken bei der Verwendung von Tiergenen in Pflanzen und wenn ja welche?

Wenn Gene zwischen sehr verschiedenen Arten ausgetauscht werden, muss sorgfältig darauf geachtet werden, wie sie in das „genetische Umfeld“, z.B. den Stoffwechsel des Empfängers eingreifen und welche Effekte sie dort haben. Ein Allergen aus einer Nuss in eine Sojabohne zu setzen ist keine gute Idee. Ein für den Menschen tödliches Toxingen aus einer Schlange in die Kartoffel zu setzen, ist mit größter Wahrscheinlichkeit gesundheitsschädlich. Ein Gen für Frostresistenz aus einem Fisch in eine Erdbeere zu setzen kann einen Vorteil haben. Es müssen umfangreiche Untersuchungen durchgeführt werden, wie das Genprodukt sich in der Erdbeere verhält und ob es sich auf andere Eigenschaften der Erdbeere auswirkt – und ob diese Auswirkungen schädlich für den Verbraucher sind. Ein Handicap seriöser Wissenschaftler ist, dass sie niemals niemals sagen sollten. Negative Effekte können nie zu 100% ausgeschlossen werden. Nach einer ordentlichen Analyse halte ich die Risiken jedoch für geringer als bei der oben genannten „natürlichen“ Sonnenblume, die noch eine unbekannte Zahl an Mutationen unbekannter Wirkung enthält und die weitgehend ungeprüft als „Naturprodukt“, möglicherweise mit Biosiegel, vermarktet werden kann.

Führt an der Gentechnik überhaupt ein Weg vorbei?

Langfristig wohl kaum. Züchtung hat lange zu gewaltigen Ertragssteigerungen geführt. „Natürlich“ sind unsere Lebensmittelpflanzen seit fast 10.000 Jahren nicht mehr. Jetzt scheinen aber die Grenzen der konventionellen Züchtung erreicht zu sein. Gentechnisch ist es möglich, Pflanzen an die Eigenarten der Standorte anzupassen (Trockenresistenz, Salzresistenz usw.) um z.B. auch den Folgen des Klimawandels zu begegnen. Der Wettlauf mit Schädlingen wird schwieriger und Ernteverluste müssen eingedämmt werden. Teilweise könnte man diese Ziele vielleicht auch durch Kreuzung erreichen, aber gewiss nicht alle und es würde viel länger dauern.

Sie sind ja auch am Science Bridge(http://www.sciencebridge.net/) Projekt beteiligt, worum geht es dabei?

Science Bridge ist eine unabhängige „non-profit“ Organisation (gemeinnütziger Verein). Unabhängig bedeutet, dass wir von keinen Sponsoren aus der Wirtschaft abhängig sind und uns ausschließlich aus (moderaten) Kursgebühren und Mitgliedsbeiträgen finanzieren. Wir liefern in erster Linie Schulen Experimente zu Molekularbiologie und Gentechnik – zunächst also reine Wissensvermittlung und Experimentiererfahrung. Dabei versuchen wir möglichst wertfrei Information zur Gentechnik zu geben.
Weiterhin informieren wir in öffentlichen Veranstaltungen zur Gentechnik. Information ist jedoch eine Sache, sie alleine kann die Resistenz gegen Argumente (bedingt durch sehr erfolgreiche PR Aktionen verschiedener NGOs) nicht beheben. Wir versuchen deshalb, eigene Erfahrungen durch Laborkurse für interessierte Bürger zu vermitteln und danach zu diskutieren. Die Ergebnisse sind interessant: obwohl wir nicht versucht haben, Pfarrer, Journalisten oder auch Greenpeace-Gruppen zu „hirnmanipulieren“ gingen sie meistens sehr nachdenklich aus den Kursen nach Hause und alle meinten, dass sie die Sache jetzt etwas differenzierter sehen (ohne gleich zu flammenden Gentechnikbefürwortern zu werden!).

Welche Internetseiten können Sie empfehlen um sich zum Thema „Grüne Gentechnik“ zu informieren?
Wenn es bei der theoretischen Auseinandersetzung mit der Thematik bleibt, empfehle ich die XING Gruppe „Grüne Gentechnologie“ und die Infoseite von Transgen. Etwas Informationsmaterial haben wir auch auf der Science Bridge Seite unter Informationsmaterial Grüne Gentechnik. Ich hatte übrigens NABU und Greenpeace angeboten, dort auch ihre Sicht der Dinge einzustellen – wollten sie aber nicht.

Zur Fortsetzung:
Horizontaler Gentransfer: Erklären wir die Friedhöfe zum Sperrgebiet!

Foldit – Oder wie Computerspieler wissenschaftliche Paper schreiben…

19. September 2011 1 Kommentar

Ok, der Titel ist etwas übertrieben, aber nur ein klein wenig. Tatsächlich gelang es mit Hilfe von Computerspielern ein Problem der Proteinfaltung innerhalb von 3 Wochen zu lösen, an dem Wissenschaftler seit 15(!) Jahren verzweifeln. Das Ergebnis war das zweite Paper, das auf der Basis von Foldit Erkenntnissen im Nature Magazin veröffentlicht wurde. Die Spieler (bzw. die Spielergruppen) werden als Co-Autoren gelistet.

Screenshot of Foldit software aus Wikipedia

Screenshot(Quelle: Wikipedia)

Bei Foldit handelt es sich um ein experimentelles Computerspiel, bei dem es darum geht, Proteinfaltung durchzuführen. Wie bei vielen Computerspielen löst man Probleme, allerdings haben die Probleme in diesem Fall eine „reale“ Qualität. Es geht darum, Proteine möglichst gut zu falten, ähnlich wie es auch Projekte wie Folding@Home und Rosetta@homeautomatisiert tun. Aber wo rohe Rechenkraft ins Leere läuft, macht menschliche Intuition den Unterschied.

Im konkreten Fall konnte die Struktur des Enzyms M-PMV retroviral protease durch den Mix aus Zusammenarbeit und Konkurrenz der Spieler von Foldit sehr schnell entschlüsselt werden. Es handelt sich dabei, wie auch Geograffitico nebenan bei den Scienceblogs berichtet um ein Protein, dass in der AIDS Forschung von großem Nutzen sein könnte, es löst das Äquivalent von AIDS in Rhesus-Affen aus.

Es wird zur Zeit intensiv daran geforscht, Proteine wie dieses mit Medikamenten zu blockieren, jedoch kämpfte man bisher damit, dass man nicht wusste, welche geometrische Struktur das Protein hat.

Es gelang den Spielern Modelle zu erarbeiten, die es innerhalb weniger Tage erlaubten, die Struktur des Enzyms zu bestimmen. Und nicht nur das, es gelang außerdem lohnende Ziele an der Oberfläche auszumachen, die als Ziele für Medikamenten dienen könnten. Laut der Foldit Homepage hat man noch weitere Erkenntnisse auf Lager, die man in Kürze veröffentlichen wird. Man darf also gespannt sein. Um Seth Cooper, einen der Schöpfer von Foldit zu zitieren:

Games provide a framework for bringing together the strengths of computers and humans. The results in this week’s paper show that gaming, science and computation can be combined to make advances that were not possible before.

Jedenfalls finden wir die Meldung cool und das Spiel durchaus interessant. Da soll noch einer sagen, Computerspielen ist zu nichts nutze. 😉 Man kann nur hoffen, dass die Publicity weitere Spieler anlocken wird. Und es scheint, von außen betrachtet, zu funktionieren, die Foldit Seite ist zur Zeit sehr zäh.

Bleibt wohl nur die Frage, wann integriert das ganze jemand in World of Warcraft?

Die Geschichte vom Feuergott oder An den Grenzen der Rationalität

17. September 2011 23 Kommentare

Ein toller Gastbeitrag von einem unserer Blogleser. Besten Dank!

Vor langer, langer Zeit kamen einst zum ersten Mal nach der Jagd Menschen zusammen, um ihre Beute gemeinsam zu verzehren und Geschichten darüber auszutauschen, wie sie diese für sich erringen konnten. Aus einem Treffen wurden erst zwei, dann viele, und schließlich war es zu der Menschen liebster Zeitvertreib geworden, so beieinander zu sitzen. Aus Einzelpersonen wurden Paare, dann Jagdgruppen und schließlich Stämme, die allein durch das Gefühl der Gemeinsamkeit verbunden waren.
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Was kann man denn noch glauben?

19. Dezember 2010 19 Kommentare

Aus einem Forumsbeitrag, irgendwo im Netz:

Solange niemand von uns persönlich also solche Studien durchgeführt hat, bleibt es letztlich eine Glaubens- bzw. Vertrauensfrage, und der Mensch kann ja immer Glauben was er will…. Eine universelle Wahrheit springt letztlich meist doch nicht bei raus

Ich jedenfalls würde nicht in jedem Fall meine Hand für den Wahrheitsgehalt so mancher Hochwissenschaftlich anmutenden Studie ins Feuer legen und gleichzeitig alle Alternativen Methoden per se als Scharlatanerie bezeichnen, weil hinter Wissenschaft letztlich auch nur Menschen stehen, die ja bekanntlich nicht unfehlbar sind.”

Eine super Erkenntnis, aber was hilft sie uns, wenn wir urteilen müssen? Z. B. wenn wir Kinder haben, und die geimpft werden sollen?

Fast alles, was wir über diese Welt jenseits unserer persönlichen Erfahrung wissen, baut auf der Erkenntnis anderer auf. Doch woher wissen wir, dass das alles stimmt? Im Bereich des “Alltagswissens” ist es relativ einfach: Das Wissen über die Welt muss hier dazu dienen und in der Lage sein, möglichst sichere Vorhersagen zu machen, ansonsten ist es wertlos und eben kein Wissen, sondern Vermutung und Spekulation, wie etwas sein könnte, aber nicht sein muss. Wenn wir ein rohes Ei aus 1m Höhe auf einen Steinboden fallen lassen, wissen wir vorher, dass es kaputt gehen wird.

Die Metasicht
Wenn wir vor dem Problem stehen, zu etwas Stellung beziehen zu müssen, zu dem es widersprüchliche Ansichten gibt und einem spezielles Fachwissen fehlt, kann eine “Metabetrachtung” hilfreich sein, indem man als erstes, ohne groß in Details zu gehen, sehr allgemeine Überlegungen anstellt.

Nehmen wir als beliebtes Beispiel die Homöopathie. Angenommen, wir hätten keinerlei Ahnung, was das ist, außer, dass behauptet wird, man könne damit Krankheiten heilen. Also überlegen wir: Mehr…

Warum wir Studien brauchen.

25. Oktober 2010 42 Kommentare

“Ihr mit Euren Studien dauernd. Mir hat es geholfen, und das genügt mir.” “Wer heilt, hat recht!” (Das haben wir schon oft erwähnt). Das sind Sätze, die man so in Diskussionen mit Anhängern so genannter alternativer Methoden immer wieder hört. Das klingt erst einmal nach gesundem Menschenverstand, nach etwas, das eigentlich einleuchtet.

Beda Stadler (Prof. und Leiter des Immunologischen Instituts in Bern) meinte einmal, dass die zwei größten Errungenschaften der Medizin im 20. Jahrhundert die Doppelblindstudie und das Impfen gewesen wären. Es erstaunt, dass er die Doppelblindstudie vor das Impfen gesetzt hat. Aber er hat recht.

Man muss aber erst einmal ein Verständnis für die Problematik entwickeln, um das nachzuvollziehen. In der Medizin hat man ein Problem: Der “Versuchsgegenstand” Mensch ist zum einen nicht normiert, und er ändert sich während des Versuches auch noch dauernd. Da haben es die Physiker wesentlich einfacher. Ein Eisenwürfel bleibt ein Eisenwürfel. Auch, wenn man ihn beschimpft oder gegen die Wand knallt. Ein lebender Organismus hingegen reagiert konstant auf Umwelteinflüsse, und vor allem ist er darauf spezialisiert, sich permanent selber zu reparieren.

Es ist enorm schwierig, eine Methode oder Behandlung als wirksam zu beweisen, da man nie weiß, was ohne diese Behandlung geschehen wäre. Klar, es gibt eindeutige Eckpunkte: Kein Mensch wird Zyankali in passender Menge überleben, kein insulinpflichtiger Diabetiker den Entzug des Insulins. Der größte, umstrittenste Teil spielt sich allerdings in der Mitte ab.

Hinzu kommt unser Hirn. Es ist nicht dafür gemacht, die “Wahrheit” zu erkennen, sondern fungiert evolutionär als Überlebensinstrument. Dazu gehört die Selbsttäuschung, das selektive Wahrnehmen inklusive dem Umgekehrten, dem selektiven Wegschauen. Was dem Überleben dient, ist gut, ob nun real falsch oder nicht. Die Natur ist da sehr pragmatisch und kennt keine Ethik oder Moral. Was unser menschliches Hirn auszeichnet, sind im Wesentlichen zwei Dinge: Filtern und Lügen. Klingt nicht gut, ist aber so. Weiter kommt erschwerend hinzu: Was wir persönlich erleben, gewichten wir wesentlich schwerer als die Berichte Anderer. Und unsere Erinnerungen sind auch sehr selektiv, ja oft sogar falsch. Psychologische Untersuchungen z.B. zum “false memory syndrom” haben das eindrücklich belegt.

Speziell im Fall von Krankheit wird alles nochmal schwieriger: Eine ernsthafte Bedrohung unseres Lebens macht unseren Denkapparat nicht nüchterner, sondern im Gegenteil unvernünftiger. Die Beispiele, wie ansonsten vernünftige Menschen in solchen Situationen zu absurdesten Strohhalmen greifen, sind Legion. Dazu sind die Behandler oft empathisch verbandelt, auch diese sind dann nicht mehr sicher fähig, zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu unterscheiden.

Wie kommt man nun aus diesem Teufelskreis? Diese Problematik ist ja nicht erst seit gestern bekannt. Kluge Köpfe haben dazu die wissenschaftliche Methode erfunden. Im Bereich der Naturwissenschaften ist das das Experiment: Wir versuchen, eine Idee an der Realität zu messen, sie für andere nachvollziehbar zu machen. Der Physiker macht z.B. Experimente mit seinem Eisenwürfel.

In der Medizin hat man allerdings drei zusätzliche Probleme: Man hat es mit Menschen zu tun, mit denen man nicht einfach experimentieren kann und will (was die Nazis gemacht haben, will wirklich keiner zurück wünschen). Es existiert bei ernsthaften Erkrankungen oft Zeitdruck, man kann nicht unbegrenzt herumprobieren. Und als Drittes sind Menschen verschieden – was beim einen wirkt, muss beim anderen nicht ebenso wirken oder kann nicht akzeptable Nebenwirkungen haben.

Die beste Lösung, hier etwas handfeste Grundlagen für Entscheidungen zu bekommen, sind Studien, wo immer es geht Doppelblind-Studien. Doppelblind, um die Täuschungen auf beiden Seiten zu eliminieren. Solche Studien sind aufwändig, schwierig, und nicht selten auch furchtbar schlecht gemacht. Aber es gibt nichts Besseres. Das ist so ähnlich, wie Churchill sich zur Demokratie geäußert hat: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“

Bild der Wissenschaftler

20. Juni 2010 57 Kommentare

In unzähligen Diskussionen im Netz tauchen immer wieder die gleichen Anschuldigungen und Vorwürfe gegen die Wissenschaft und deren reale Betreiber, die Wissenschaftler auf: Sie seien borniert, nicht offen und überheblich. Gibt man bei der Google-Bildsuche das Wort Wissenschaftler ein, landet man bei dem obigen Bild. Das ist kein Zufall. Das Bild des Wissenschaftlers ist immer noch geprägt von der Vorstellung eines leicht verrückten, eher alltagsuntauglichen Schrates, der aus unverständlichen Gründen irgendwelchen absurden Dingen hinterher forscht.

Speziell unsere Zielgruppe, die Esoteriker, kann man eigentlich am leichtesten mit einem Negativum definieren: Sie halten Wissenschaft für beschränkt, ihr  eigenes Wissen für überlegen. Dabei wiederholen sich die wenigen „Argumente“ in einer Art und Weise, dass man fast meint, einen meditativen Zen-Kurs in einem Kloster gebucht zu haben.

Was ist aber Wissenschaft?
Als erstes kann man mal festhalten: Wissenschaft ist ein Werkzeug, um die Realität zu beschreiben. Mit Werkzeugen kann man viel Gutes tun und viel Unfug anrichten. Mit einer Kettensäge z.B. kann man Holz zertrennen (eigentlicher Sinn), sich ins Bein sägen (wenn man zu doof ist, sie zu bedienen), oder auch Menschen zerstückeln (so man ein entsprechender Psychopath ist). Wie im richtigen Leben aber beschränken sich auch in der Wissenschaft solche Fälle auf Ausnahmen.
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Warum wir Wissenschaft brauchen: „Ich habs mit eigenen Augen gesehen“ Ist Nicht Genug

19. August 2009 18 Kommentare

Ein Gastbeitrag von Harriet Hall (Übersetzung Thomas Xavier)
(Link zum Originalartikel bei SBM: Why We Need Science: “I saw it with my own eyes” Is Not Enough)

Ich habe kürzlich einen Artikel für eine Gemeindezeitung geschrieben, der versucht, wissenschaftlich nicht vorgebildeten Lesern zu erklären, warum Einzelfälle keine Beweise sind; unglücklicherweise wurde er nicht gedruckt. Ich überlegte, ihn in meinem Blog zu verwenden, aber ich dachte er wäre zu elementar für dieses Publikum. Ich habe meine Meinung geändert und bringe ihn im Folgenden (Entschuldigung an die Mehrheit unserer Leser), denn mir scheint, ein paar Leser haben immer noch nicht mitgekriegt, warum wir exakte Wissenschaft brauchen, um Behauptungen zu überprüfen. Leute, Menschen können sich täuschen. Alle Menschen. Das beinhaltet mich und dich. Richard Feynman hat gesagt:

„Der erste Grundsatz ist, Du darfst dir selber nichts vormachen – und Du bist derjenige, der sich am leichtesten was vormacht.“

Die Wissenschaft ist die einzige Methode, die Fehler zu korrigieren, die durch unsere Wahrnehmung und Zuordnung entstehen. Es ist der einzige Weg sicherzustellen, dass wir uns nichts vormachen. Entweder hat die Wissenschaftsmedizin ihre Aufgabe nicht gut gemacht, diese lebenswichtigen Fakten zu erklären, oder einige unserer Leser sind nicht willens oder unfähig unsere Erklärungen zu verstehen.

Unsere Kommentatoren schreiben häufig anekdotische Berichte, dass eine bestimmte alternative Methode „bei mir wirklich wirkt“. Sie verstehen nicht, dass sie keinen Grund haben zu behaupten: es „wirkt“. Alles was sie behaupten können ist, dass sie nach der Behandlung eine Besserung beobachtet haben. Das kann eine echte Wirkung anzeigen, aber auch eine ungenaue Beobachtung oder einen „post hoc ergo propter hoc“ Fehler, die falsche Annahme, dass eine zeitliche Korrelation einen Kausalzusammenhang bedingt. Solche Beobachtungen sind immer nur ein Ausgangspunkt: Wir müssen Wissenschaft betreiben, um herauszufinden, was die Beobachtungen bedeuten.

Letzte Woche hat ein Kommentator die bisher schlechteste Anekdote beschrieben:

„Ich habe aus erster Hand erfahren, wie das Leben durch den Körper strömt, wenn (bei der Chirotherapie) die Subluxation entfernt wird.“

Was soll das bedeuten? Erwartet er, dass irgendjemand das glaubt, nur weil er es sagt? Würde er mir glauben, wenn ich sagte, ich hätte den unsichtbaren Drachen in Carl Sagans Garage gesehen?

Ein anderer Kommentator schreibt

„Diese pro-EBM Kommentatoren hier scheinen zu glauben, dass sogar wenn sie was mit eigenen Augen sehen, sie es nicht glauben können, wenn es keine doppelt verblindeten, ordentlich publizierten Studien gibt die beweisen, dass das was sie gesehen haben wirklich passiert ist.“

Nun, ja, das ist ziemlich genau das, was wir denken und wir sind entsetzt, dass Du es noch nicht verstanden hast, denn es ist der Grund, warum wir Wissenschaft betreiben müssen. Ich würde es aber anders ausdrücken: „Etwas mit eigenen Augen sehen bedeutet nicht, dass es wahr ist und macht eine wissenschaftlichen Überprüfung nicht überflüssig.“

Wir können unseren Augen nicht trauen. Der Vorgang des Sehens selbst ist ein interpretierendes Konstrukt des Gehirns. Es gibt zwei blinde Flecken in unserem Sichtfeld und wir nehmen sie nicht einmal wahr. Ich habe einen Zauberer gesehen, der eine Frau in zwei Teile gesägt hat – das war eine Illusion, eine falsche Wahrnehmung. Ich habe einen Patienten gesehen, dem es nach der Behandlung besser ging – meine Interpretation, dass die Behandlung die Besserung verursacht hat, kann ein Fehler gewesen sein, eine falsche Zuordnung.

Für die, die es immer noch nicht kapiert haben, hier mein grob vereinfachender Artikel:

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Der Herr der Schädel

18. Juni 2009 11 Kommentare

Gestern begann am Landgericht Frankfurt der Strafprozeß gegen Dr. Reiner Protsch von Zieten. Ein Rückblick: Protsch von Zieten war über dreißig Jahre, seit 1973, Leiter des Instituts für Anthropologie der Universität Frankfurt, bis er 2004 wegen Unregelmäßigkeiten suspendiert wurde. In diesen 30 Jahren hatte es, zumindest seit Mitte der 80er Jahre, immer wieder Hinweise gegeben, dass es an dem Institut nicht so ganz mit rechten Dingen zuging. Mitarbeiter wunderten sich über die staubigen, da unbenutzten Apparaturen, andere über Merkwürdigkeiten bei seinen Veröffentlichungen oder die Art und Weise, wie bei ihm promoviert wurde. Insbesondere etwa 80 Zahnärzten verhalf er zur begehrten Urkunde. Auch wenn der eine oder andere etwas geahnt oder sogar gesagt haben mag vor der allgemeinen Aufdeckung, so war Protsch von Zietens Mittel der Wahl immer „Angriff ist die beste Verteidigung“ und er war es gewohnt, damit auch durchzukommen. Fast alle Dekane der Biologie der Zeit, als er tätig war, können ein Liedlein davon singen, wie schnell aus einem Dissens ein aggressiv geführter Disput mit ihm wurde. Nicht wenige gaben nach Auseinandersetzungen mit ihm resigniert auf. So konnten in dem Klima von Einschüchterung der Mitarbeiter, Aufbrausen bei geringster Kritik von Kollegen und dem Umstand, dass der deutsche Professor, wenn er erst mal sitzt, wo er sitzt, kaum weg zu kriegen ist, jahrzehntelang Wissenschaftsbetrug und andere dunkle Machenschaften gedeihen.

Protsch von Zieten hatte schon einmal vor dem heute begonnenen Verfahren Ärger mit der Justiz. Er hatte einen weiteren schmückenden Doktortitel haben wollen und an der Universität Wien war man willens, das, was er als seine eigene Arbeit vorlegte, anzuerkennen. Pech nur, dass er so sicher war, dass der Titel zuerkannt wurde, dass er ihn bereits führte, bevor er erteilt worden war. Einen Strafbefehl von 18.000 DM wollte er nicht hinnehmen, woraufhin der Richter noch einen kleinen Zuschlag auf 27.000 DM verhängte. Wahrscheinlich war Protsch von Zieten in gewohnter Manier aufgetreten und der Richter hatte ihm dann zeigen müssen, dass auch jemand wie er sich an Recht und Gesetz halten muss.

Protsch von Zieten, der von sich selber gerne behauptete, er sei von 11 Doktorvätern betreut worden, darunter 2 Nobelpreisträger, war hinsichtlich der Ausschmückung seiner Person nicht schüchtern. So bezeichnete er sich als „Zehnkämpfer“, prahlte mit körperlicher und angeblicher geistiger Fitness und war doch in seinem eigentlichen Fach so schwach, dass er in den Vorlesungen vielfach grobe Fehler machte. Fehler, die eigentlich keinem Biologen passieren dürften, ja nicht mal einem interessierten Abiturienten. Aber da er ja an der „UCLA“ studiert hatte, wie er immer wieder stolz betonte, schauten wahrscheinlich auch die Kollegen weg. Ob diese Unterlagen von damals jemals jemand wirklich geprüft hat, steht noch heute aus. Jemand, der über Jahrzehnte so dreist und immer wieder neu lügt, hat vielleicht auch schon früher gelogen. Jemand, der, nachdem er eigentlich schon überführt ist, die Markierung aus Schädeln gefräst zu haben und sie als sein Eigentum ausgegeben zu haben, eine – gefälschte – Kaufurkunde an die Staatsanwaltschaft (!) nachlegt, ist einer, der uneinsichtig ist.

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Über den Tellerrand geschaut: Afrikanische Alternativmedizin

14. April 2009 5 Kommentare

„Unwissenschaftlichkeit ist der Boden der Inhumanität“ Karl Jaspers

Die Annahme, dass der „Wilde“ an sich ein edler sei und der Mensch in Stammeskulturen von Haus aus friedlich, freundlich und naturverbunden, ist ein beliebtes und verbreitetes Klischee postkolonialer Reaktion. Ungeachtet dessen, dass die Sichtweisen von Menschen, die noch weitab der Bildungs- und Erkenntnismöglichkeiten der modernen Gesellschaft sind, oft kaum verstehbar sind, sind doch die Auswirkungen dieser Sichtweisen auf die jeweilige Gemeinschaft und das Individuum beobachtbar. Schon, dass es in einigen Gebieten der Erde auch heute noch Sklaverei gibt, ist eine grausige Realität.

Je dümmer, ungebildeter und abergläubischer ein Mensch, je enger sein Horizont, desto weniger kann er sich oft in den Mitmenschen einfühlen und desto enger ist sein Schema von Menschsein und der Gruppe, zu der er sich zugehörig fühlt. Xenophobie ist ein verbreitetes Phänomen in unterschiedlichen Erscheinungsformen. Nicht umsonst heißt die eigene Gruppe in vielen Sprachen einfach „Mensch“ und die anderen Gruppen – sind dies halt nicht. Aber auch in der eigenen Gruppe haben Menschen mit ungewöhnlichen Eigenschaften, Menschen, die aus der Masse aufgrund körperlicher, seelischer oder geistiger Merkmale herausstechen, oft zu leiden. Dass die Hautfarbe alleine schon genügen kann, um einen Mitmenschen als anders- und fremdartig und – als Vorurteil – als Träger schlechter Eigenschaften oder böser Mächte anzunehmen, ist allgemein bekannt.

In jüngster Zeit sind immer wieder Berichte aufgetaucht, wonach in v. a. Zentralafrika von „Hexendoktoren“ Jagd auf Albinos gemacht wird, um sie als Ganzes oder Teile von ihnen (man schreckt sogar vor grausamsten Verstümmelungen an Verwandten oder Kindern nicht zurück) zu Zaubertränken und -pulvern zu verarbeiten.


BBC: Tanzania’s albinos in fear

„Tödliche Jagd auf Albinos“, SZ vom 10.08.2008

„Aberglaube an die Kräfte der „weißen Schwarzen“, FAZ vom 08.04.2009

„Mörderbanden machen Jagd auf Albinos“, Spiegel vom 25.10.2008

Asyl wegen ritueller Verfolgung:
„Afrikanischer Albino sucht Asyl in Spanien“, Bild 11.04.2009

Das Erschreckende an diesen Vorfällen, die leider keine ganz vereinzelten Vorkommnisse sind, ist nicht nur die tief verstörende Brutalität der unmittelbaren Täter, die von einem „was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“ noch Lichtjahre entfernt sind; das Erschreckende ist auch, dass es eine Nachfrage, einen Markt für diese „Produkte“ gibt. Menschen also, die billigend in Kauf nehmen, dass für ihre persönlichen Bedürfnisse andere Menschen abgeschlachtet und „zubereitet“ werden. Wobei die geforderten Preise für diese Zaubermittel vermuten lassen, dass diese „Mittel“ eher nicht in den Unterschichten nachgefragt werden. Arme Leute können sich diese „Mittel“ schlicht nicht leisten, die Täter hingegen haben mit der Bezahlung für die Auftragsmorde bzw. beschafften Teile oft ausgesorgt. Warum die Täter, die „Hersteller“ dieser „Produkte“ aber nicht einfach die Überreste vom letzten Schweineschlachten (die Käufer werden wohl kaum das Mittel analysieren lassen können) nehmen, um ein Zaubermittel zu brauen, bleibt auch unergründlich. Ein besonders bizarrer Fall von Verbrecherehrlichkeit, die darauf schließen lässt, dass sie selber auch fest an die Wirksamkeit glauben.

The albino trade: Undercover with a witch-doctor, BBC

Man könnte nun entgegnen, ja, die Europäer, die verwenden ja auch Teile von lebenden (Blut, Lebendspenden eines paarigen Organs) oder toten Menschen (Organspende, frühere Gewinnung u .a. von Wachstumshormon). Doch da verläuft eine klare Linie: nämlich die zwischen magischen Vorstellungen und echter, begründeter Hilfe sowie zwischen verbrecherischer Zwangs“entnahme“ bzw. Mord und freiwilliger Spende. Das ist ethisch völlig anders zu bewerten.

Nur um vorzubeugen, es handle sich bei diesen Sichten um eurozentrische Herablassung: Auch in unseren Breiten wurden früher „Produkte“ aus Menschen gemacht, die Zauberwirkungen haben sollten. Das berühmte „Mumia-Pulver“, das aus Mumien gewonnen wurde (oder angeblich hergestellt wurde, es gab reichlich Verfälschungen), ist nur ein Beispiel.

„Die Heilkraft des Todes“, Spiegel vom 26.01.2009

Wir hier sind über DIESEN Aberglauben glücklicherweise allermeistens hinweg (es sind noch genug andere da, wenn auch nicht so brutale), was aber auch ein jahrhundertelanger Prozeß war. Mit wissenschaftlichen Ansätzen der Medizin und Achtung der Menschenrechte ist so etwas nicht mehr vereinbar. Das ist auch gut so. Es ist für die afrikanischen Albinos zu hoffen, dass diesem Aberglauben eine kürzere Restlebensdauer beschieden ist. Breitenbildung an Herz und Hirn ist der Weg dahin. Bis das umgesetzt ist, werden leider möglicherweise nur drakonische Strafen helfen und verdeckte Ermittler. Leider ist in den betroffenen Staaten auch Korruption und Bestechlichkeit weit verbreitet, so dass da noch ein weiter Weg zu gehen ist.

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